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Für eine nachhaltige Bioökonomie

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BOOST FUND Projekt InducTomE

Induction of secondary metabolites in tomato by-products for extraction and economic evaluation of the model process

© G. Noga, Universität Bonn

Tomaten werden über viele Monate in Gewächshäusern kultiviert. Zum Ende der Produktionsphase im Herbst werden die verbleibenden Tomatenpflanzen kompostiert. Kann man diese Reste nicht noch besser nutzen? Eine Idee, sie aufzuwerten, wurde im Projekt „InducTomE“ etabliert. Tomatenblätter enthalten unter anderem die Stoffe Rutin und Solanesol, die bereits als Nahrungsergänzungs- beziehungsweise Arzneimittel vermarktet werden. Um die Konzentrationen dieser Phytochemikalien deutlich zu steigern, wurden die Tomatenpflanzen gezielt Umweltstressen ausgesetzt.

Tomaten gehören zu den meist angebauten Früchten in der Welt. In Deutschland werden Tomaten hauptsächlich in Gewächshäusern angebaut. Dort produzieren die Pflanzen monatelang ihre Früchte. Zum Ende der Tomatenproduktion im Herbst sind die Pflanzen beeindruckend hoch. Diese großen Pflanzen bleiben dann als Restbiomasse übrig und auch zwischen den einzelnen Fruchternten werden immer wieder Blätter von den Pflanzen abgetrennt. Diese Blätter und Restpflanzen enthalten bioaktive Inhaltsstoffe, die von industriellem Nutzen sein können. Sie besitzen zum Beispiel antioxidative, antimikrobielle oder auch viruzide Aktivitäten. Solche sogenannten Phytochemikalien haben oft auch pharmakologische Wirkung und können als Nahrungsergänzungsmittel dienen. So zeigt das in Tomatenblättern enthaltene Flavonoid Rutin antioxidative und entzündungshemmende Wirkung. Daher werden Rutin-Derivate in der Venentherapie eingesetzt. Das Isoprenoid Solanesol ist die Vorstufe für das Coenzym Q10 und Vitamin K, die in der Kosmetikbranche und als Nahrungsergänzungsmittel Verwendung finden.

Messungen von Fluoreszenzparametern im Gewächshaus
Copyright: Dr. S. Röhlen-Schmittgen, ehem. INRES, Universität Bonn

Vielfacher Nutzen
Pflanzen produzieren solche bioaktiven Substanzen zu ihrem eigenen Schutz in Reaktion auf Umwelteinflüsse sowie zur Interaktion mit der Umwelt. So werden einige Phytochemikalien bei Umweltstress vermehrt produziert und schützen die Pflanzen vor Schäden. Diese Tatsache wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Projektes „InducTomE“ nutzen: Die Tomatenpflanzen sollten nach der letzten Fruchternte noch im Gewächshaus gezielten Umweltstressen wie zum Beispiel Hitze, Kälte oder Nährstoffmangel ausgesetzt werden, um die gewünschten Inhaltsstoffe Rutin und Solanesol anzureichern. Dadurch würden die Pflanzenreste aufgewertet, die sonst zum Ende der Tomatenproduktion üblicherweise nur noch als Kompost dienen. Die zweifache Nutzung der Pflanzen zur Tomatenproduktion und zur Extraktion von wertvollen Inhaltsstoffen bedeutet eine Erweiterung der Wertschöpfungskette. Zudem kann die Biomasse zur Gewinnung von Energie und sogenannten Massenchemikalien, zum Beispiel Zucker oder Bioethanol, genutzt werden. Dies wurde im Projekt bereits mitgeplant. Solche Wertschöpfungsketten sind ressourcenschonend, da der Anbau entsprechender Energie- und Heilpflanzen eingespart würde.

Pflanzenwissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen haben zusammen mit Gartenbauwissenschaftlern der Universität Bonn getestet, unter welchen Umweltbedingungen Rutin und Solanesol angereichert werden. Dabei wurden zunächst viele verschiedene Stressbedingungen an jungen Pflanzen erprobt, wovon die geeignetsten in Produktionsgewächshäuser übertragen wurden. Mit einer Kombination von Nährstoffmangel, Kälte und erhöhter Lichtintensität konnte eine maximale Steigerung des Rutingehaltes erreicht werden. Hitze steigerte den Gehalt an Solanesol. Auch die Option der Veränderung von Anzuchtbedingungen schon während der Fruchtproduktion und der Einfluss auf den Inhaltsstoffgehalt der Blätter sowie Fruchtqualität und Ertrag wurden untersucht. Um außerdem weitere nutzbare Phytochemikalien zu identifizieren, wurden genetische Expressionsstudien und ungerichtete Inhaltsstoffanalysen durchgeführt. Diese neuen Inhaltsstoffe könnten dann durch Extraktion oder durch eine biotechnologische Produktion nach Aufklärung ihrer Biosynthesewege ebenfalls produziert und vermarktet werden.

Extraktion von Inhaltsstoffen aus Tomatenblättern
Copyright: Manuel Lück, ehemals AVT.FVT, RWTH Aachen

Nachweis an der Pflanze
Zur Überprüfung der erfolgreichen Anwendung der Stressbedingungen wurden optische Verfahren entwickelt, welche die Erhöhung der Menge an Rutin und Solanesol anzeigen. Hierzu wurden verschiedene optische Verfahren untersucht, die auch von gartenbaulichen Produzenten im Gewächshaus durchgeführt werden können. Sowohl Fluoreszenzmessungen als auch eine einfache Quantifizierung der Blattfarbe konnten etabliert werden, um den Erfolg der angewandten Stressbedingungen zu überprüfen. Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen am Versuchszentrum Gartenbau in Straelen unterstützte das Projekt durch eine aktive Bereitstellung von Versuchsaufbauten und durch Beratung der Projektpartner. Die Aufgabe der Verfahrenstechniker an der RWTH Aachen war die Entwicklung von Extraktions- und Aufreinigungsprozessen der Phytochemikalien aus Tomatenblättern und anschließender Bioraffinierung. Es wurden Konzepte für einen effizienten, umweltfreundlichen Prozess erarbeitet, der den Anforderungen der möglichen Marktsektoren für Rutin und Solanesol entsprach. Eine wirtschaftliche Bewertung des Verfahrens ergab, dass die Gesamtkosten durch eine sequenzielle Extraktion der Inhaltsstoffe signifikant reduziert würden. Auch die weitere Verwertung der Tomatenbiomasse in Bioraffinerieprozessen erwies sich als geeignetes und effizientes Verfahren.

Wirtschaftlichkeit steigern
Agrarökonomen der Universität Bonn untersuchten mögliche Wege zur Einführung der Zweifachnutzung von Tomatenpflanzen in den Markt. Hierbei wurden zunächst Sektoren identifiziert, in denen Rutin oder Solanesol vermarktet werden können, und die entsprechenden Regularien geprüft. Daraufhin wurden die involvierten Teilnehmer der Produktionsketten identifiziert sowie deren Innovationsbereitschaft untersucht. Zudem wurden verschiedene Markteintrittsbarrieren der neuen Wertschöpfungskette bewertet, die hier eine Hürde darstellen können. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Wirtschaftlichkeit deutlich erhöht werden kann: Erstens durch die Gewinnung und Vermarktung mehrerer bioaktiver Substanzen und zweitens durch das Senken der Produktionskosten, indem man beispielsweise zentrale
Extraktionsanlagen nutzt.

Inzwischen hat das InducTomE-Konsortium die Idee, Phytochemikalien aus Blättern und Restpflanzen zu gewinnen, auf die Paprikaproduktion übertragen. Das BMBF-Projekt „TaReCa“ lief von 2017 bis 2020 in Zusammenarbeit mit einem Beirat aus der Aroma- und Duftindustrie, der Biozidindustrie und dem Gartenbau, der die Interessen und Möglichkeiten potenzieller Industriepartner einbrachte.

Projektleiter

Prof. Dr. Björn Usadel1, Dr. Alexandra Wormit
ABBt - Botanik und Molekulargenetik, RWTH Aachen

 

Beteiligte Core Groups

Prof. Dr. Björn Usadel1, Dr. Alexandra Wormit, Dr. Julia J. Reimer
ABBt - Botanik und Molekulargenetik, RWTH Aachen

Prof. Dr. Ulrich Schurr, Dr. Anika Wiese-Klinkenberg1, Dr. Björn Thiele, Dr. Laura Junker-Frohn
IBG-2 Pflanzenwissenschaften, Forschungszentrum Jülich

Prof. Dr. Georg Noga, PD Dr. Mauricio Hunsche, Dr. Simone Röhlen-Schmittgen, Dr. Tanja Groher
INRES - Gartenbauwissenschaft, Universität Bonn

Prof. Dr. Andreas Jupke, Andreas Bednarz, Manuel Lück
AVT - Fluidverfahrenstechnik, RWTH Aachen

Prof. Dr. Stefanie Bröring, Dr. Laura Carraresi, Joana Wensing
ILR – Technologie-, Innovationsmanagement und Entrepreneurship, Universität Bonn

 

Projektlaufzeit

01.11.2015 – 31.12.2017

 

Förderung

InducTomE ist Teil des NRW-Strategieprojekt BioSC und gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

Publikationen

Hoffmann, AM, Noga, G and Hunsche, M (2016). Alternating high and low intensity of blue light affects psii photochemistry and raises the contents of carotenoids and anthocyanins in pepper leaves. Plant Growth Regulation 79(3): 275-285.

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1 Neue Adresse: IBG-4 Bioinformatik, Forschungszentrum Jülich