Bioeconomy Science Center
Forschung und Kooperation für nachhaltige Bioökonomie
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Forschung und Kooperation für nachhaltige Bioökonomie

Umweltforschung für eine nachhaltige Bioökonomie

Für die erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung der Bioökonomie ist es notwendig, die Folgen neuer Technologien auf die Umwelt bereits während des Entwicklungsprozesses abzuschätzen. Im Lehr- und Forschungsgebiet Ökosystemanalyse am Institut für Umweltforschung der RWTH Aachen gibt es eine langjährige Expertise auf dem Gebiet der Ökotoxikologie und Bioanalytik. Neuere Forschungsschwerpunkte sind die Green Toxicology und die Ökobilanzierung (Life cycle assessment).

Das Lehr- und Foschungsgebiet Ökosystemanalyse feierte im Jahr 2017 sein zehnjähriges Jubiläum. Es gehört zu einem der größten Universitätsinstitute in Deutschland, welches sich mit Ökotoxikologie beschäftigt. Die Abteilung von Prof. Dr. Henner Hollert, die auch Core Group im BioSC ist, besteht aus 34 Mitarbeitern in drei Arbeitsgruppen und zwei Teams und wird von zahlreichen Drittmittelgebern (z.B DFG, EU, DBU, BMBF) gefördert.

Im Bereich der Ökotoxikologie liegen die Forschungsschwerpunkte (1) in der pro- und retrospektiven Bewertung der Effekte von anthropogenen Schadstoffen durch den Einsatz breiter Biotest- und Biomarker-Batterien, (2) der Entwicklung, Validierung und Optimierung von Effekt-bezogenen Testsystemen und (3) Weight-of-Evidence-Studien für die Gefahr- und Risikobewertung von Umweltbelastungen. Hierbei werden insbesondere die Auswirkungen auf aquatische Lebensräume durch den umfassenden Einsatz des Zebrabärblings (Danio rerio) untersucht, welcher als Modellorganismus für ökotoxikologische Untersuchungen von Effekten auf molekularer bis hin zur organismischen Ebene gilt. Hierdurch hat sich das Lehr- und Forschungsgebiet Ökosystemanalyse als ein anerkannter Akteur auf dem Gebiet der Wasseruntersuchung und -bewertung etabliert. In Kooperationen mit Wasseringenieuren und Hydrologen ist es das Ziel, eine umfassende Sicht auf Schadstoffe in aquatischen Lebensräumen zu erreichen.

Einen neuen Schwerpunkt bilden Arbeiten, die dem Konzept der Green Toxicology folgen. Green Toxicology bezieht sich auf die Anwendung der prädiktiven Toxikologie (predictive toxicology) bei der nachhaltigen Entwicklung und Produktion neuer, weniger schädlicher Stoffe und Chemikalien. Green Toxicology basiert auf den Grundlagen von Green Chemistry und Green Engineering und zielt darauf ab, zukünftige Herstellungsprozesse und sichere Synthesen von Chemikalien hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu gestalten (Crawford et al. 2017). Die Prinzipien der Green Toxicology sind fester Bestandteil der Green Chemistry und verstärken die Rolle gesundheitsbezogener Aspekte für den Verbraucher und die Umwelt. Zudem ist sie für produzierende Unternehmen wirtschaftlich, da bei der Entwicklung von neuen Verfahren die umweltfreundlichsten Produkte identifiziert werden können.

Nach dem Konzept der Green Toxicology können durch den Einsatz geeigneter in vitro und in silico-Tools bereits in frühen Entwicklungsstadien toxikologisch bedenkliche Chemikalien und Materialien aussortiert werden, sodass es einerseits nicht zu starken Umweltbelastungen und andererseits nicht zu einem teuren Abbruch der Entwicklung kurz vor der Markteinführung kommt. Weiterhin ist in komplexen Produktionsprozessen nicht sofort ersichtlich, in welchen Teilprozessen die größten Umweltbelastungen verortet sind. Ökobilanzen können diese kritischen Punkte aufzeigen und somit die größten Verbesserungspotentiale verdeutlichen. Am Lehr- und Forschungsgebiet Ökosystemanalyse wird dieses Konzept etwa gemeinsam mit verschiedenen Aktueren im Exzellenzcluster TMFB (Bluhm et al. 2016) und dem neuen Cluster FSC - Fuel Science Center angewendet. Weitere Anwendungen betreffen z.B. die Umweltfolgenabschätzung von Ramnolipiden (Kooperation mit der Core Group Lars Blank; Johann et al. 2016), von Mikroplastik (Chen et al. 2017) und von verschiedenen biobasierten Moleküle und Nanopartikel.

Mit der Ökobilanzierung/Life cycle assessment (LCA) ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt hinzugekommen. Im Rahmen von Ökobilanzen werden die Auswirkungen von Produkten auf die Umwelt im Verlaufe ihres gesamten Lebenszyklus untersucht, von der Rohstoffentnahme über die Produktion und Nutzungsphase bis hin zur Entsorgung. Dabei werden verschiedene Umweltwirkungen (u. a. Klimawandel, Ökologie, Biodiversität) berücksichtigt. Die Core Group Hollert arbeitet schwerpunktmäßig an Modellen zur Charakterisierung von ökotoxischen Effekten in Ökobilanzen. Bisherige Modelle sind nicht in ausreichendem Maß in der Lage, beispielsweise Effekte wie hormonelle Wirksamkeit oder Mutagenität sinnvoll zu integrieren, welche aber in der Ökotoxikologie etablierte Endpunkte sind. Hier profitiert die Gruppe von ihrer Expertise zu bioanalytischen Methoden; ein Wissen, das im klassischen LCA-Bereich fehlt.

Ein Beispiel für ein Projekt mit Bezug zu LCA ist der RWTH Boost Fund TEPHA (Technical Product Harvesting - Endkonturnahe Halbzeuge aus nachwachsenden Werkstoffen). „Technical Product Harvesting“ bezeichnet die Nutzung geeigneter Biomasse für die Erzeugung technischer Produkte. Im Speziellen liegt der Fokus auf organischen Werkstoffen, die in ihrem natürlichen Wachstum beeinflusst und z.B. in nutzbare Bauteile der Architektur oder für maschinenbauliche Anwendungen überführt werden. Dieses Projekt wird u.a. in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Botanik und molekulare Genetik der RWTH Aachen (Core Group Prof. Usadel und Dr. Wormit) durchgeführt. Das Hauptziel des umweltwissenschaftlichen Teilprojekts ist die Bilanzierung der Gesamtumweltauswirkungen von durch endkonturnahes Wachstum entstandenen Produkten (Kämpfer et al. 2017).

Die Arbeit des Lehr-und Forschungsgebiets Ökosystemanalyse hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt der Rolle der Umweltbewertung zum Gelingen einer nachhaltigen Bioökonomie zugewendet. Hierbei bedeutend ist die Frage, wie Umweltbewertung, beispielsweise im Sinne einer Green Toxicology oder mittels Ökobilanzierung, unerwünschte Auswirkungen von biobasierten Prozessen aufspüren, dadurch die Entwicklung von neuen Technologien in Richtung der größtmöglichen Nachhaltigkeit steuern und einen entscheidenden Beitrag zur Etablierung der Bioökonomie leisten kann.

Prof. Henner Hollert
Institut für Umweltforschung
Lehr- und Forschungsgebiet Ökosystemanalyse
RWTH Aachen University
Worringer Weg 1
52074 Aachen
Tel: +49 (0) 241 180 26669
Email
Homepage Prof. Hollert

Literatur:

Kampfer, C., Seiler, T.B., Beger, A.L., Jacobs, G., Lower, M., Moser, F., Reimer, J., Trautz, M., Usadel, B., Wormit, A. and Hollert, H. (2017) Life cycle assessment and sustainable engineering in the context of near net shape grown components: striving towards a sustainable way of future production. Environmental Sciences Europe 29. Open access unter: https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-017-0125-x

Crawford, S.E., Hartung, T., Hollert, H., Mathes, B., van Ravenzwaay, B., Steger-Hartmann, T., Studer, C. and Krug, H.F. (2017) Green Toxicology: a strategy for sustainable chemical and material development. Environmental Sciences Europe 29. Open Access unter: https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-017-0115-z

Johann, S., Seiler, T.B., Tiso, T., Bluhm, K., Blank, L.M. and Hollert, H. (2016) Mechanism-specific and whole-organism ecotoxicity of mono-rhamnolipids. Sci Total Environ 548-549, 155-163.

Chen, Q., Gundlach, M., Yang, S., Jiang, J., Velki, M., Yin, D. and Hollert, H. (2017) Quantitative investigation of the mechanisms of microplastics and nanoplastics toward zebrafish larvae locomotor activity. Sci Total Environ 584-585, 1022-1031.

Bluhm, K., Seiler, T.B., Anders, N., Klankermayer, J., Schaeffer, A. and Hollert, H. (2016) Acute embryo toxicity and teratogenicity of three potential biofuels also used as flavor or solvent. Sci Total Environ 566-567, 786-795.