Bioeconomy Science Center
Forschung und Kooperation für nachhaltige Bioökonomie
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Forschung und Kooperation für nachhaltige Bioökonomie

BioSC im Gespräch - Prof. Ulrich Schurr zieht eine erste Zwischenbilanz und schaut voraus

Herr Professor Schurr, seit nun mehr fast zwei Jahren werden im Rahmen des NRW-Strategieprojekt BioSC Forschungsprojekte und andere Aktivitäten des Bioeconomy Science Center rund um Forschung und Ausbildung für eine nachhaltige Bioökonomie gefördert.

Wie hat sich das BioSC seitdem weiterentwickelt? Was waren für Sie bis jetzt die Highlights und wo gibt es noch Optimierungsbedarf?

Damals war das BioSC und der Ansatz, dass die Bioökonomie-Forschung eine besondere Herausforderung, aber auch riesige Chancen in der Integration über disziplinäre Kompetenzen hinweg bietet, nicht viel mehr als eine Idee. Es gab ja durchaus auch viele Kollegen - auch bei den Fördergebern, die das sehr skeptisch gesehen und kritisch hinterfragt haben - „ob das wohl so sinnvoll ist?“. Andererseits war es schon bemerkenswert, wie viele Gruppen, sich dieser Idee angeschlossen haben und Mitglied im BioSC geworden sind – trotz der damals sehr ausgeprägten Fokussierung auf disziplinäre Exzellenz durch die Exzellenzinitiative. Dabei hat das BioSC schon einen gewissen Kontrapunkt gesetzt, indem wir uns speziell auf die Unterstützung interdisziplinärer Projekte fokussiert haben. Das ist ein nicht unerheblicher Mehraufwand, der vom aktuellen auf fachspezifische Publikationen ausgerichteten Wissenschaftsbetrieb ja nicht unbedingt goutiert wird. Andererseits waren sich alle, die damals aktiv an der Ausarbeitung des NRW-Strategieprojektes beteiligt waren – Wissenschaftler, Universitäts- und Forschungszentrums-Leitungen, Ministerien, Beiräte und auch die Gutachter - darüber einig, dass dies eine einmalige Chance sei. Wann bekommt man schon mal die Option sich auf stabiler vertraglicher Grundlage mit bedeutender und langfristiger finanzieller Unterstützung durch das Land NRW und indirekt über die Helmholtz-Gemeinschaft auch vom Bund, in einem gesellschaftlich hoch relevanten Feld aufzubauen, Kooperationen zu etablieren, wo Interdisziplinarität der Schlüssel zum Erfolg ist?

Der Anfang war also durchaus mit Risiken und Fragen gespickt. Es hat sich dann auch herausgestellt, dass es Zeit und Geduld brauchte, bis sich die(jenigen) Mitglieder des BioSC gefunden haben, die das Konzept auch wirklich leben können und wollen. Da hat sich der bottom-up Prozess schon sehr bewährt – und auch die „Instrumente“, die wir im wahrsten Sinne des Wortes bespielt haben, um Kollegen aus dem BioSC zusammenzubringen. Klar hat nicht alles geklappt und das eine oder andere Mal hat uns auch die Bürokratie reingefunkt, aber der Gedanke, integrierende Forschungsansätze der Bioökonomie zu fördern, war bei allen immer so stark, dass vieles möglich gemacht wurde, was sonst nicht möglich gewesen wäre. Ich möchte die Gelegenheit des Rückblicks auch gerne nutzen, um allen Mitstreitern in der Geschäftsstelle des BioSC, im geschäftsführenden Direktorium des BioSC in seinen verschiedenen Zusammensetzungen, in den Verwaltungen der Partnereinrichtungen, beim Projektträger und den Ministerien in Düsseldorf und Berlin zu danken.

Wir haben in den ersten Jahren des BioSC viel gelernt und, ja, das NRW-Strategieprojekt ist in sich selbst ein großes Experiment, wie man interdisziplinäre Zusammenarbeit organisiert und fördert. Es war immer wieder notwendig, die Sprache anderer Wissenschaftler, aber auch die von Fördergebern und Politik zu verstehen, zu übersetzen und zu interpretieren. Das hat viel Zeit und Kraft gekostet, manchmal für Reibereien gesorgt; aber liegt nicht darin auch schon ein Erfolg und ein Resultat des BioSC-Prozesses, dass wir gelernt haben, wie man das macht, von dem andere immer als Basis für Innovation sprechen: nämlich mit exzellenten Forschern im Spannungsfeld von Wissen und Anwendung und im intensiven Dialog mit Kollegen aus anderen Disziplinen an relevanten gesellschaftlichen Fragen Lösungen zu erarbeiten?

Prof. Ulrich Schurr
Prof. Ulrich Schurr

In mittlerweile 23 SEED FUND und BOOST FUND-Projekten arbeiten Wissenschaftler aller Partnereinrichtungen gemeinsam an vielfältigen Fragestellungen zur nachhaltigen Bioökonomie.

Wie schätzen Sie die aktuelle Projektsituation, insbesondere in Bezug auf die Integration und die adressierten Themenfelder ein?

Wir haben heute ein großes und buntes Portfolio von Projekten, die alle den Kriterien des BioSC entsprechen – interdisziplinär, wissenschaftlich hochwertig, an den Zielen der nachhaltigen Bioökonomie orientiert. Da sind viele Projekte dabei, die ohne das BioSC nicht zustande gekommen wären. Die Kompetenzen – und die Wissenschaftler – hätten ohne BioSC nie zusammengefunden. Gerade jetzt werden die ersten Projekte abgeschlossen und dann müssen wir bewerten, wie hoch der Mehrwert schon der ersten Projekte gewesen ist und wie wir in Zukunft noch besser werden. Die Vielfalt der Projekte, die aus dem bottom-up Prozess entstanden sind, ist groß. Manche sagen „zu groß“. Ich bin da anderer Meinung: wir brauchen in dieser ersten Phase diese Vielfalt und, ja, die Forscher im BioSC haben in dieser ersten Phase gesucht und probiert, wo sie an andere anknüpfen können, um relevante Beiträge leisten zu können. Sie haben damit aber auch gezeigt, welche Vielfalt an innovativen Ideen an diesen Grenzflächen entsteht. Anfangs waren da einzelne Ideen, vielleicht auch manchmal noch etwas „normale Projekte“, aber zunehmend finden wir integrierte Konzepte, die von der Pflanze über die Konversion, in die Produktebene führen und andere kümmern sich schon um das Schließen von Kreisläufen – mit ganz unerwarteten Aspekten, wo die Biotechnologie plötzlich bei der nachhaltigen Nutzung von Reststoffen hilft und neue Wertschöpfungswege erdacht werden. Anfangs stand die Ökonomie noch etwas am Rand, heute haben wir Projekte, wo durch die Einbindung der Ökonomen die Naturwissenschaftler alternative Wege sehen, die außerhalb der klassischen Denke liegen.
Ein solches Portfolio beinhaltet auch immer Bereiche, wo etwas mal nicht klappt. Forschung ohne Risiko des Scheiterns gibt es nicht! Aber an vielen Stellen sind – auch wenn die meisten Projekte noch nicht abgeschlossen sind – schon heute ganz neue Ansätze erkennbar.

Die 1. Förderperiode des NRW-Strategieprojekt BioSC befindet sich nun in der zweiten Halbzeit; am 31.12.2016 endet dann die Initialphase endgültig.

Welche Ziele möchten Sie in der restlichen Zeit noch erreichen, insbesondere mit Blick auf die Vorbereitung bzw. die Schwerpunkte der zweiten Förderperiode?

Die Vernetzungsaktivitäten und die themenoffenen Ausschreibungen für SEED FUND und BOOST FUND-Projekte waren Teil eines bottom-up Ansatzes, der nun in der zweiten Förderperiode zu einer thematischen Verengung führen muss. Gesucht werden innovative Themen der integrierten Bioökonomie mit Alleinstellungsmerkmalen für das BioSC.

Wie sollen diese Fokusthemen identifiziert werden? Gibt es Möglichkeiten für BioSC-Mitglieder, Ideen einzubringen und sich aktiv zu beteiligen?

Ja, die nächste Phase des NRW-Strategieprojektes steht jetzt unter dem Titel „Fokussierung“. Für diese Phase müssen die Partnereinrichtungen des BioSC einen neunen Projektantrag stellen, der dann 2016 evaluiert wird. Die Vorgabe – und unsere Vorstellung aus dem Konzept für das Strategieprojekt – ist, dass wir jetzt zu einigen wenigen Fokusthemen mit besonderer Bedeutung für die integrierte Bioökonomie kommen. Dabei spielt der bisherige bottom-up Prozess der ersten Phase eine wichtige Rolle, soll aber auch durch Themenfelder ergänzt werden, die bislang zu wenig adressiert wurden. Natürlich spielt hier auch die Strategie der Partnereinrichtungen eine wichtige Rolle. Aktuell arbeitet das Geschäftsführende Direktorium an (Themen-) Vorschlägen und wie die Themen entwickelt werden können. Das ist die nächste spannende, aber auch sehr wichtige Phase für das BioSC. Wenn es uns hier gelingt auch herausragende Wissenschaftler als Köpfe der Fokusthemen zu etablieren, werden diese auch das BioSC nach außen hin repräsentieren. Die erste Phase des NRW-Strategieprojektes hat aber auch gezeigt, wieviel Potential ungehoben in der Kooperation liegt. Deshalb wollen wir auch weiter einen Teil des NRW-Strategieprojektes themenoffen gestalten.

Die nächsten Monate werden sehr spannend für das BioSC. Wir sind inzwischen aber gut genug aufgestellt, um die Fokussierung anzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Schurr.