Bioeconomy Science Center
Forschung und Kooperation für nachhaltige Bioökonomie
Bioeconomy Science Center
Forschung und Kooperation für nachhaltige Bioökonomie

Zehn Jahre Bioeconomy Science Center

Ende September 2010 wurde der Gründungsvertrag für das Bioeconomy Science Center unterschrieben. Die RWTH Aachen, die Universitäten Bonn und Düsseldorf und das Forschungszentrum Jülich begründeten damit eine institutionen- und disziplinenübergreifende Zusammenarbeit in grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung für die Transformation zu einer nachhaltigen Bioökonomie, die bis heute einzigartig ist. Zehn Jahre später hat sich das BioSC zu einem namhaften Kompetenzzentrum für Bioökonomieforschung in Deutschland und Europa entwickelt, aus dem zahlreiche Lösungsbeiträge durch integrative Forschungsprojekte erarbeitet und disziplinübergreifende Ausbildungsansätze umgesetzt worden sind.

Das Konzept einer „Knowledge-based Bio-Economy“ (KBBE) als Treiber für eine wettbewerbsfähige und zugleich nachhaltige Wirtschaft wurde erstmals 2005 von der Europäischen Kommission formuliert. Im Jahr 2007 bewerteten Experten aus Akademia und Industrie in dem so genannten „Cologne Paper“ die Perspektiven für eine wissensbasierte Bioökonomie. Unter anderem wiesen sie auf einen erheblichen Bedarf an interdisziplinärer Forschung und Ausbildung sowie auf die wichtige Rolle der Gesellschaft hin. Das Land NRW etablierte dann Ende 2007 ein KBBE-Büro mit Dr. Dr. h.c. Christian Patermann, dem ehemaligen Leiter der Direktion Forschung bei der Europäischen Kommission und „Vater“ der KBBE, das die Landesregierung in diesem „emerging field of research and innovation“ beraten sollte.

In Nordrhein-Westfalen wurde die Bedeutung der wissensbasierten Bioökonomie von Forschungseinrichtungen und Universitäten früh erkannt, so dass bereits 2005 erste Gespräche starteten, wie man hier ein übergreifendes Konzept umsetzen könnte. Die Idee, ein Kompetenzzentrum für Bioökonomieforschung zu gründen, entwickelte sich aufgrund von wissenschaftlicher Exzellenz, hohen Synergiepotenzialen und Kooperationen in bioökonomierelevanten Forschungsfeldern, die bereits zwischen dem Forschungszentrum Jülich, den Universitäten Bonn und Düsseldorf und der RWTH Aachen existierten. Im Sinne des „Cologne Papers“ erarbeiteten diese vier Partner ein Konzept zur disziplinenübergreifenden Bündelung ihrer Kompetenzen.

2010 wurde dann der Gründungsvertrag für das Bioeconomy Science Center unterzeichnet– im gleichen Jahr, in dem die Bundesregierung die Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 verabschiedete. 2013 schlossen der Bund und das Land NRW eine Vereinbarung, die Entwicklung des BioSC gemeinsam über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren zu unterstützen. Seit 2013 wird der Forschungsverbund im Rahmen des NRW-Strategieprojekts BioSC gefördert.

Bis 2016 wurde im Forschungsprogramm des Strategieprojekts ein „Bottom up“-Ansatz verfolgt: Die BioSC-Mitglieder konnten themenoffen ein- oder zweijährige Projekte beantragen, wenn diese forschungsbereichsübergreifend angelegt waren und von mindestens zwei der vier Standorte getragen wurden. Im Rahmen von Peer-Review-Verfahren wurden in dieser ersten Phase insgesamt 41 Projekte umgesetzt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der ersten Phase erfolgte dann ab 2017 eine thematische Fokussierung. In sechs großen multidisziplinären Kooperationsprojekten, den FocusLabs, arbeiteten jeweils bis zu zehn Arbeitsgruppen über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren an einem integrativen Projekt. Daneben konnten in der zweiten Phase weiterhin ein- bis zweijährige Projekte beantragt werden, um FocusLab-übergreifende Themen und neue Entwicklungen aufzugreifen. Seit 2013 sind aus dem NRW-Strategieprojekt BioSC rund 180 Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften sowie zahlreiche Patenten hervorgegangen.

Die Forschung des BioSC zeichnet sich durch eine systemische Betrachtungsweise aus, die Grundlagenforschung und Anwendungsbezug verbindet. Nur so kann die Etablierung biobasierter Produkte und Produktionsverfahren gelingen, die technologische Innovationen und innovative Infrastrukturen, aber auch Transformationen von Konsumgewohnheiten, Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsketten erfordert. Im BioSC werden so ökonomische, ökologische und soziale Lösungen für die Bereitstellung von Nahrungs- und Futtermitteln sowie bio-basierten Materialien, Chemikalien und Energieträgern geschaffen.

Es ist nicht möglich, die vielen Ansätze des BioSC in einem kurzen Text zu würdigen. Deshalb hier im Anschluss einige Beispielthemen, die in den vergangenen 10 Jahren bearbeitet wurden – ohne Priorisierung und schon gar nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit.

Um Biomasse als Rohstoff-Ersatz für Erdöl zu etablieren, wurden zahlreiche biotechnologische, chemische und verfahrenstechnische Methoden entwickelt. Für den Biomasseaufschluss wurden Verfahren etabliert, die durch die schonende Abtrennung von hochwertigen Pflanzeninhaltsstoffen eine zusätzliche Wertschöpfung ermöglichen. Im Labor- und Pilotmaßstab konnten pflanzliche Cellulose, Hemicellulose und Pektin als Ausgangsmaterial für die biotechnologische Produktion von Bulk-Chemikalien wie Itakonsäure oder Pyruvat sowie von Biotensiden etabliert werden. Für die Herstellung von Wertstoffen, etwa bioaktiven Substanzen, wurden erfolgreich neue mikrobielle Synthesewege konstruiert und optimiert. In verschiedenen Projekten wurden Beiträge zu Bioraffineriekonzepten erarbeitet, die den Aufschluss von Biomasse unterschiedlicher Qualität, ihre Umwandlung in Produkte und deren Abtrennung und Aufreinigung integrieren.

Für die nachhaltige Bereitstellung von Biomasse wurden zum Beispiel innovative und umweltfreundliche Konzepte für den Anbau mehrjähriger Pflanzen auf nährstoffarmen Böden entwickelt. Für den Pflanzenschutz beim Anbau von Nutzpflanzen wurden neue biologische Wirkstoffe identifiziert und ein System zur sparsamen und gezielten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln entwickelt. Projekte zur Rückgewinnung von Nährstoffen wie Phosphat und Nitrat zielten auf das Schließen von Stoffkreisläufen ab.

Durch die Integration sozioökonomischer Forschungsansätze wurde der Bezug der technologischen Innovationen zu Märkten, Politik und Gesellschaft hergestellt. In vielfältiger Weise wurde und wird untersucht, wie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen beim Übergang von einer fossilen zu einer biobasierten Wirtschaft so gesteuert und gestaltet werden können, dass sie ökologisch verträglich, technisch möglich und gesellschaftlich akzeptiert sind.

Im Rahmen zahlreicher wissenschaftlicher Veranstaltungen gab es einen intensiven Austausch mit Akademia und Wirtschaft. Nachwuchswissenschaftlern wurden durch z.B. Exkursionen, Workshops und PhD Retreats, von der Vielfalt der Bioökonomie zu neuen Ansätzen inspiriert. Und auch für die Öffentlichkeit hat das BioSC seit seiner Gründung zahlreiche Informations- und Dialogformate etwa im Rahmen von Wissenschaftsnächten oder Bürgerforen angeboten und umgesetzt.

Zehn Jahre nach seiner Gründung steht das BioSC an der Schwelle zur dritten Förderphase des NRW-Strategieprojekts. Themenfelder mit hoher Relevanz für eine integrierte und nachhaltige Bioökonomie werden fortgeführt und weiterentwickelt werden, um die systemische Perspektive des BioSC für die Bioökonomieforschung auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene umzusetzen. Aus der wissenschaftlichen Stärke des BioSC hat sich inzwischen auch die Initiative BioökonomieREVIER herausentwickelt. Sie zielt darauf ab im Rahmen des Strukturwandels - aufbauend auf den wissenschaftlichen Ergebnissen und mit fortgesetztem wissenschaftlichem Input aus dem BioSC - das Rheinische Revier zu einer Bioökonomie-basierten Modellregion im praktischen Handeln von Wirtschaft, Ökologie und sozialer Verantwortung zu entwickeln.

 

Fotos: Forschungszentrum Jülich