In der öffentlichen Ringvorlesung "Meet the Circular Economy", die im Sommersemester 2024 bereits zum dritten Mal stattfand, gaben wieder eine Reihe von Unternehmen Einblicke in die Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung kreislauforientierter und biobasierter Prozesse (siehe unten). Neben Studierenden und Universitätsangehörigen aus allen Fakultäten waren auch interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen, über innovative Nachhaltigkeitskonzepte der Kreislaufwirtschaft in der Unternehmens- und Produktentwicklung zu diskutieren.
Zum ersten Mal schloss sich in diesem Jahr eine Innovation Challenge an die Ringvorlesung an, für die das BioSC den ersten Preis stiftete. Alle Referentinnen und Referenten hatten Aufgaben für die Studierenden gestellt, bei denen es um aktuelle Herausforderungen der Unternehmen ging. Am 7. Oktober traten fünf Studierenden-Teams im Super C der RWTH Aachen mit Kurzvorträgen zu ihren Lösungsansätzen gegeneinander an und wurden durch eine Jury bewertet.
Als Sieger wurde das „Team Schüco“ mit Thoralf Leisten, Agustin Gonzalez, Jule Knobel und Marc Kocher gekürt. Eine Herausforderung für Schüco ist das Recycling von Aluminium, da Handwerksbetriebe ausgebautes Material häufig direkt entsorgen. Die Studierenden entwickelten ein Anreizsystem für die Rückgabe von Aluminium, bei dem Handwerksbetriebe am Erlös mit dem Handel der Carbon Credits beteiligt werden, die Schüco durch das Recycling erzeugen und verkaufen kann. Den zweiten Platz belegte das „Team Remondis“ mit Leon Prochno, Philipp Scheffs und Sandro Wolff. Die Gruppe schlug ein Kreislaufsystem für Bekleidung vor, bei dem Kundinnen und Kunden für das Abgeben ihrer Altkleider so genannte Sustainability-Punkte gutgeschrieben werden, die sie gegen exklusive Kleidungsstücke aus recycelten Textilien tauschen können.
Die Jury aus Jun.-Prof. Dr. Sandra Venghaus (RWTH), Christina Mertsch (RWTH Innovation), Prof. Dr. Ingar Janzik (FH Aachen/FZ Jülich) und Dr. Sascha Stark (FZ Jülich) lobte die Konzepte der prämierten Teams, insbesondere der Sieger, für ihren Praxisbezug und ausgereiften Charakter. Das innovative Lehr- und Lernkonzept der Veranstaltung „Meet the Circular Economy“ soll zukünftig weiter ausgebaut werden.
Ansprechpartnerin: Prof. Dr. Sandra Venghaus | +49 24180 90963 | venghaus[at]socecon.rwth-aachen.de
Bei der diesjährigen Auftaktveranstaltung ging es um Kreislaufwirtschaft in der chemischen Industrie. Dr. Wulf Klöckner präsentierte die Nachhaltigkeitsstrategie der Firma Covestro mit den Kernelementen erneuerbare Energie, Recycling und alternative Rohstoffe und benannte die Zusammenarbeit mit der akademischen Forschung als einen Schlüssel zum Erfolg. Dr. Lisa Weigand von der Mitsubishi Chemical Group ging zunächst allgemeiner auf die Rolle der chemischen Industrie in der Kreislaufwirtschaft ein, bevor sie die Ansätze und Schwerpunkte ihrer Firma vorstellte. Ein wichtiges Thema in beiden Vorträgen waren die Schwierigkeit, Verbundmaterialien zu rezyklieren und die damit verbundene Notwendigkeit, Produkte von vornherein so zu konzipieren, dass ein Recycling der einzelnen Komponenten mit eingeplant und ermöglicht wird.
Beim zweiten Termin stand die Kreislaufwirtschaft als neues Geschäftsmodell im Fokus. Lilith Lauk und Sebastian Köhne präsentierten die Nachhaltigkeitsstrategien der Firmen Henkel und Schüco. Da Verpackungen aus recyceltem Material oft weniger ansprechende Formen und Farben aufweisen und daher weniger attraktiv für Verbraucher sind, hat Henkel den so genannten Sleeve entwickelt, eine dünne Folie, die ansprechend bedruckt und um eine zu recycelnde Verpackung gewickelt werden kann. Früher konnten die Sortieranlagen den Sleeve nicht abtrennen, doch durch Änderungen der Zusammensetzung und nach Kooperationen von Henkel mit den Sortieranlagen-Betreibern ist dies nun möglich. Sebastian Köhne erläuterte, wie Schüco durch effizienteres Design, Recycling und die Verwendung nachhaltigerer Materialien sowie Serviceleistungen die Emissionen bis 2040 auf Netto-Null reduzieren will. Besonders interessant war dabei die Idee eines QR-Codes auf jedem neuen Fensterrahmen, der im Internet der Frames (IoF) auf alle für den Service und das Recycling wichtigen Daten verweist.
Beim dritten Termin stellten Dr. Salvatore Lachina von BIOWEG sowie Marcel Kunz und Dr. Jannik Fleiter von Triple Solar die beiden StartUp-Firmen vor. BIOWEG stellt aus mikrobiell erzeugter Cellulose Mikroplastik-Alternativen vor allem für die Kosmetikindustrie sowie Samen-Coatings für den agrarischen Anbau her. Ausgangsmaterial sind hier Abfallströme aus der Nahrungsmittelindustrie. Um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten, werden lokale Substratquellen, Skalierungsprozesse sowie der CO2-Fußabdruck berücksichtigt. Triple Solar stellt PVT her, eine völlig neuartige Kombination aus Photovoltaik und Wärmetauscher im selben Modul, welche vollständig in Europa gefertigt werden. Alle drei machten deutlich, wie relevant politische Entscheidungen für den Erfolg- und Misserfolg gerade von jungen und kleinen Firmen in der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sind. Verbote, Förderungen und Gesetze haben hier große positive wie negative Effekte auf technische Entwicklungen, Finanzierungen und Umsetzungen.
Der nächste Schwerpunkt war das Thema Bauen. Vanja Schneider von Moringa präsentierte das Konzept eines ökologisch und sozial nachhaltigen Cradle-to-Cradle-Gebäudes, das die Firma in der Hamburger Hafen-City baut. Hier werden ausschließlich Materialien verwendet, von denen keine Gesundheitsgefährdung ausgeht, die meisten davon recycelt. Alle Gebäudebestandteile sind flexibel austauschbar, was angesichts der sehr unterschiedlichen Lebenszyklen eine Herausforderung darstellt. Das Gebäude beherbergt u.a. eine Kindertagesstätte und öffentlich geförderten Wohnraum. Stephan Gawlitza von Gablok präsentierte ein innovatives Rohbausystem mit Bauelementen, die wie Klemmbausteine funktionieren, das kostengünstiges und schnelles Bauen ermöglicht. Dank der sortenreinen Bestandteile ist ein vollständiges Recycling der Bausteine möglich.
Um soziale Innovationen in der Kreislaufwirtschaft ging es am 3. Juni. Johannes Kern und Linda Lingenauber stellten vor, wie ihr Unternehmen RecyCoal Landwirte in Senegal, Ruanda und Tansania bei der Eigenproduktion von Pflanzenkohle unterstützt. Durch die richtige Anwendung dieser Kohle auf den Feldern verbessern sich die Bodeneigenschaften und damit auch die Erträge. Zudem speichert die Pflanzenkohle langfristig CO2 im Boden. Durch den Verkauf von CO2-Einsparzertifikaten werden Einnahmen generiert, die zu gleichen Teilen zwischen den Landwirten und RecyCoal aufgeteilt werden. Lina Helgers stellte das Aachener Projekt Circular Food Chain vor, das Menschen aus der Landwirtschaft, dem Lebensmittelhandwerk, der Gastronomie und der Lebensmittelindustrie in Workshops zusammenbringt, um gemeinsam Ansätze für die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft zu erarbeiten, beispielsweise die Stärkung der regionalen Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte oder die Nutzung von Restströmen.
17. Juni
Nachhaltigkeit in der Mobilität
Klaus Ruhland, Mercedes
Abfallrecycling
Lennart Nübel, Remondis
Beim sechsten Termin ging es zunächst um Nachhaltigkeit in der Mobilität. Klaus Ruhland stellte die Ansätze der Firma Mercedes vor, Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren. Dazu gehören v.a. die Nutzung erneuerbarer Energien, die Verwendung recycelter Materialien und ein Produktdesign, das die Wiederverwertung der einzelnen Komponenten von vornherein einplant. Anschließend berichtete Lennart Nübel von Remondis über Konzepte zum Abfallrecycling und stellte eindrucksvoll dar, wie eine effizienten Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abfall zur Verringerung von Primärenenergieverbrauch, Treibhausgasemissionen und Rohstoffverbrauch beiträgt. Das setzt jedoch die Trennung von Bioabfall, Wertstoffen und Restmüll voraus, wo noch erhebliches Verbesserungspotenzial besteht.
Politik und Kapital für die Kreislaufwirtschaft war das Thema der letzten Vorlesung. Florian Klein vom MWIKE NRW sprach über die Möglichkeiten der Landespolitik, die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft zu steuern. Als Beispiele nannte er die Einführung eines digitalen Produktpasses, die Verankerung des Themas Kreislaufwirtschaft in den Curricula von Schulen und Universitäten, die gezielte Nachfrage der öffentlichen Hand nach nachhaltigen Produkten und das Auflegen von Förderprogrammen, Beratungs- und Transfereinrichtungen. Grenzen sind der Landespolitik hier z.B. durch die Freiheit von Forschung und Lehre oder die Entscheidungshoheit anderer öffentlicher Akteure gesetzt. Jan Schliewert stellte die fast fünfzigjährige grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit in der Euregio Maas-Rhein vor. Seit 2021 gibt es hier die Möglichkeit, im Rahmen des Interreg A-VI-Programms, gefödert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), grenzüberschreitende Projekte zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu beantragen. Kreislaufwirtschaft ist dabei eines der adressierten Themenfelder.