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Für eine nachhaltige Bioökonomie

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Einblicke in die Widerspenstigkeit von Lignocellulose gegenüber der Verarbeitung

Lignocellulose, d.h. pflanzliche Zellwände, stellen die am häufigsten vorkommende nicht-fossile, pflanzliche Ressource auf der Erde dar. Daher ist sie ein idealer Kandidat, um fossile Ressourcen zu ersetzen. Um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und den ökologischen Fußabdruck zu minimieren, ist eine vollständige Verwertung der Lignocellulose von großer Bedeutung.

Abb. 1: Silphium perfoliatum L., Quelle: Forschungszentrum Jülich

Pflanzliche Lignocellulose besteht aus drei Hauptkomponenten: Cellulose, ein kristallines Polysaccharid, das aus Glucose besteht, der polyaromatischen amorphen Verbindung Lignin, die den Zellwänden Festigkeit verleiht, und amorphen Polysacchariden, den Hemicellulosen, die aus Hexosen und Pentosen bestehen können. Alle drei Komponenten können auf verschiedene Art und Weise miteinander verknüpft sein und machen die Zellwand so zu einem hochkomplexen Gebilde. Komplexität und Variabilität in der Zusammensetzung sind der Grund, warum die Fraktionierung in die verschiedenen Verbindungen eine Herausforderung darstellt, eine Tatsache, die als Widerstandsfähigkeit der Lignocellulose bezeichnet wird. Spezifische Faktoren, die diese Widerstandsfähigkeit verursachen, sind z. B. der Grad an Kristallinität der Cellulose, der Ligningehalt, die Struktur und das Verhältnis der Untereinheiten sowie die Dichte und Anzahl der Verknüpfungen zwischen den Untereinheiten und mit den assoziierten Polysacchariden, und möglicherweise die Zuckersubstituenten der Hemicellulose sowie die Anzahl der Acetylanteile. Die Widerstandsfähigkeit von Lignocellulose unterscheidet sich nicht nur zwischen Pflanzenarten und Entwicklungsstadien, sondern hängt auch vom gewählten Vorbehandlungsprozess ab, da unterschiedliche Chemikalien und Prozessbedingungen zu unterschiedlichen Mengen und Qualitäten der fraktionierten Verbindungen führen. Das erfolgreiche Recycling von Wasser, Lösungsmitteln und Katalysatoren, die im Prozess verwendet werden, ist jedoch ebenso wichtig wie die vollständige Fraktionierung der Biomasse.

Im Rahmen von AP3 war ein Ziel, die Robustheit der OrganoCat-Vorbehandlung zu verbessern. Unter Verwendung des OrganoCat-Aufschlusses als Standardprozess analysierten wir 10 verschiedene lignocellulosehaltige Pflanzenreste mit dem Ziel, gemeinsame Merkmale zu identifizieren, die die Widerstandsfähigkeit der Biomasse speziell für diesen Prozess beeinflussen. Dazu wurden folgende Aspekte bewertet: (i) Wie gut ist der Zellstoff nach der OrganoCat-Vorbehandlung für die enzymatische Katalyse zugänglich? (ii) Wie effizient ist die Hemicellulose-Hydrolyse? (iii) Wie hoch ist die Ausbeute an extrahiertem Lignin und wie hoch dessen Qualität?

Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Verhältnis zwischen den Lignin-Untereinheiten Sinapylalkohol (S) und Coniferylalkohol G (S/G-Verhältnis) bis zu einem gewissen Grad als Indikator für die Widerstandsfähigkeit während der OrganoCat-Vorbehandlung dient (Abb. 2). Außerdem korrelieren polysaccharidspezifische Parameter mit der Widerstandsfähigkeit während des OrganoCat-Prozesses. Bei Gräsern deutet zum Beispiel eine geringe Menge an Arabinosylresten auf eine geringere Widerstandsfähigkeit hin, möglicherweise aufgrund einer geringeren Anzahl von Esterbindungen zum Lignin. Schließlich wurde gezeigt, dass die Abbaubarkeit des Zellstoffs nach der OrganoCat-Vorbehandlung negativ mit dem Grad der Xylan-Acetylierung und dem Ligningehalt in der organischen Phase korreliert. Somit ist es möglich, die OrganoCat-Produktausbeuten und -qualitäten aller Zellwandpolymere anhand bestimmter Merkmale der Lignocellulose-Biomasse vorherzusagen. Insbesondere das S/G-Verhältnis und die Xylan-O-Acetylierung der Hemicellulosen sind wichtige variable Merkmale. Insbesondere bei Energiegräsern und Stroh ist eine effektive Vorbehandlung und Fraktionierung mit der OrganoCat-Technologie gut vorhersagbar.

Abb. 2: Strukturelle Merkmale von Lignin haben einen großen Einfluss auf die Abbaubarkeit des Zellstoffs und die Ausbeute an Monosacchariden (adaptiert von Weidener at al. 2020).
Abb. 3: Genetische und phänotypische Diversität verschiedener Sida hermaphrodita-Akzessionen.

Um Landnutzungskonflikte bei der Biomasseproduktion zu vermeiden, streben wir an, Pflanzen für solche Bioraffineriekonzepte auf marginalen Böden zu produzieren, die mit recycelten und Reststoffe-basierten Düngemitteln gedüngt werden.

Um den Einfluss spezifischer Anbaupraktiken auf die Zusammensetzung der Zellwand und die Effizienz der OrganoCat-Vorbehandlung zu identifizieren, haben wir genetisch unterschiedliche Akzessionen des mehrjährigen Staude Sida hermaphrodita (Abb. 3) und des mehrjährigen Grases Brachypodium distachyon als Modellpflanzen ausgewählt. Der Pflanzennährstoff Stickstoff wurde in unterschiedlichen chemischen Formen zugeführt, die sowohl in mineralischen als auch in organischen Düngemitteln vorkommen. Ausgewertet wurden Biomasseproduktion, Zellwandzusammensetzung und nachfolgend der Erfolg der OrganoCat-Vorbehandlung. Genetisch unterschiedliche Sida hermaphrodita-Sämlinge, zeigten unter halbkontrollierten Gewächshausbedingungen unterschiedliche Ergebnisse für die Zellwandzusammensetzung je nach Form des gegebenen Stickstoffs (Abb. 4).

Abb.4: Sida-Akzessionen aus Nordamerika reagierten anders auf die Zugabe von anorganischem Stickstoff als jene aus Europa, was zu einer anderen Zusammensetzung ihrer Lignocellulose führte.

Unter stark kontrollierten Laborbedingungen wurde die Zellwandzusammensetzung von Brachypodium vor allem in den frühen Wachstumsstadien verändert, was auf die Möglichkeit hinweist, die Zellwandzusammensetzung der Pflanze über Ernährungsregime zu manipulieren. Unsere ersten Ergebnisse bestätigen Literaturberichte, dass Stickstoffformen die Zellwandzusammensetzung in einer pflanzenart- und entwicklungsspezifischen Weise beeinflussen. Auch in Reststroh konnte gezeigt werden, dass der Ligningehalt als Reaktion auf die Stickstoffdüngung verändert wird.

Um die Zellwandzusammensetzung für eine erfolgreiche Vorbehandlung optimieren zu können und optimale Biomasseerträge der gewählten Modellpflanzen zu erhalten, wollen wir nun beide Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen untersuchen. Wir erwarten, dass Nitrat die Ablagerung von Cellulose und Lignin modifiziert, während Ammonium die Konzentration von gemischt verknüpften Glucanen beeinflussen könnte. Darüber hinaus werden wir die chemische Struktur von Pektinen und Hemicellulosen im Hinblick auf Veränderungen der Xylan-Substitution und der Veresterung von Homogalacturonan untersuchen. Pflanzenmaterial mit veränderter Zellwandzusammensetzung wird dann hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit in der OrganoCat-Vorbehandlung analysiert.

Beteiligte Core Groups

Prof. U. Schurr
Dr. S. Schrey
Institute for Bio- and Geosciences: Plant Sciences
Forschungszentrum Jülich GmbH

Prof. P. Westhoff
Dr. E. Pestsova
Institute for Developmental and Molecular Biology of Plants
Heinrich Heine University Düsseldorf

Prof. B. Usadel
Dr. H. Klose
Institute of Bio- and Geosciences - Plant Sciences
Forschungszentrum Jülich

Prof. M. Pauly
Dr. M. Dama
Institute for Plant Cell Biology and Biotechnology
Heinrich Heine University Düsseldorf