Um wirtschaftlich tragfähige Bioraffinerie-Konzepte aufzubauen, ist die Entwicklung von eng miteinander verknüpften Bio- und Chemotransformationen sowie maßgeschneiderten Downstream Processing erforderlich. Auf Basis dieser hybriden Produktionsprozesse können eindimensionale Wertschöpfungsketten überwunden und Bioraffinerien zu ökologisch und ökonomisch arbeitenden "Multi-Substrat-zu-Multi-Produkt"-Fabriken entwickelt werden. Im Rahmen des BioSC HyImPAct Projektes wurde dazu ein erster hybrider Demonstratorprozess zur Herstellung von Plattformchemikalien und pharmazeutisch aktiven Verbindungen entwickelt.
Das Ziel einer CO2-neutrale Produktion erfordert den Aufbau einer industriellen Bioökonomie auf der Basis nachwachsender Rohstoffe wie zum Beispiel pflanzlicher Biomasse. Um eine Kreislaufwirtschaft mit geringem CO2-Fußabdruck realisieren zu können, nehmen Bioraffinerien in diesem Kontext eine zentrale Rolle ein. Ausgehend von Biomasse - idealerweise aus regionalen Reststoffströmen wie beispielsweise Abfällen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der Lebensmittelindustrie - können in Bioraffinerien durch bio- oder chemokatalytische Umsetzungen chemische Grundbausteine, Biopolymere und pharmazeutisch wirksame Verbindungen hergestellt werden.
Eine derart breite Produktpalette wird jedoch nur dann zugänglich, wenn eine konsequente Weiterentwicklung bestehender Bioraffineriekonzepte in Richtung "Multi-Substrat-zu-Multi-Produkt"-Fabriken erfolgt. Dieser Ansatz, im Folgenden als "hybrider Produktionsprozess" bezeichnet, ist zwar nicht grundsätzlich neu, aber wird bereits seit einiger Zeit verstärkt in vielen verschiedenen Bereichen der industriellen Produktion verfolgt.
Im Rahmen des durch den BioSC-geförderten FocusLabs "HyImPAct" werden hybride Produktionsverfahren auf Basis nachwachsender Rohstoffe entwickelt (Abb. 1). Der Fokus liegt dabei auf biologischen und technischen Herangehensweisen, die auf einer engen Integration von Bio- und Chemo-Transformationen und Downstream Processing basieren. Unterstützt werden die Arbeiten durch techno-ökonomische Analysen, die sich speziell mit dem Vergleich der in "HyImPAct" entwickelten, alternativen Verfahren mit bereits etablierten Produktionsprozessen beschäftigen.
Senkung des carbon footprints bei der Bereitstellung von Vorstufen
Ein wesentliches Ziel zu Beginn des Projekts war es, den Plattformorganismus Corynebacterium glutamicum so weiterzuentwickeln, dass er die Verwertung von Glucose und Xylose aus lignozellulosehaltiger Biomasse ermöglicht. Durch gezieltes Engineering der Stoffwechselwege des Organismus konnten mehrere optimierte Produktionsstämme für die kohlenstoffeffiziente Umwandlung der beiden Zucker in die gewünschten Vorstufen aus dem Bereich der organischen und aromatischen Säuren sowie Aminosäuren entwickelt werden (Abb. 1).
Die Charakterisierung und das Screening dieser Stämme kann durch den Einsatz extrazellulärer Biosensoren unterstütz werden. In dem HyImPAct angegliederten SeedFund „XyloSens“ wurden daher derartige Sensoren entwickelt. Biosensoren auf Basis des Förster-Resonanz-Energie Transfer können als Additiv Kultivierungsmedium zugefügt werden und ermöglichen die Überwachung von Prozessparametern ohne Eingriff in das Messsystem.
Für zwei Bulk-Chemikalien - α-Ketoglutarat und Bernsteinsäure - sowie für mehrere Feinchemikalien, darunter Pyruvat, Alanin und Hydroxybenzoate, wurden Bioprozesse im Labormaßstab entwickelt und weiter optimiert.
Bernsteinsäure zum Beispiel ist eine wichtige Plattformchemikalie in der chemischen Industrie und bildet die Grundlage für eine Vielzahl industrieller Anwendungen. Zusätzlich ist sie ein zentraler Baustein für verschiedene Polyester, darunter das biologisch abbaubare Polybutylensuccinat (PBS). Konkret wurde die biobasierte Bernsteinsäure aus HyImPAct im angegliederten SEED FUND "R2HPBIO" für die Entwicklung von Hochleistungs-Biokunststoffen eingesetzt. Nach Schätzungen des nova-Instituts wird der industrielle Bedarf an Bernsteinsäure in den nächsten 5 Jahren auf 94.000 Tonnen pro Jahr ansteigen. Würde die Produktion ausschließlich auf Basis fossiler Ressourcen erfolgen, würde der Erde die vierfache Menge an Kohlenstoff entzogen und letztlich dem CO2-Kreislauf zugeführt werden.
Neben der Entwicklung maßgeschneiderter Produktabtrennungsverfahren für verschiedene molekulare Vorstufen, wurde HyImPAct von einer Ökobilanzierung begleitet. Der CO2-Fußabdruck wurde auf Basis der experimentellen Daten zweier realisierter Prozesse für Bernsteinsäure im Labormaßstab und der im ehemaligen BOOST FUND-Projekt "BeProMod" simulierten optimalen Produktionsprozesse bewertet. Für ein wirtschaftlich konkurrenzfähiges Szenario wurde Maisstroh als potenzieller regionaler Reststoffstrom vergleichend analysiert [Link zum Artikel 1].
Im Gegensatz zum breiten Einsatz von Plattformchemikalien in der chemischen Industrie, verbunden mit großtechnischen Produktionen, werden höherwertige Produkte wie z.B. Pharmazeutika in wesentlich kleineren Mengen benötigt. Daher ist für diese Moleküle der CO2-Fußabdruck nicht das entscheidende Kriterium für die Ökobilanz.
Umweltfreundliche Produktion biobasierter Arzneimittel
Bei pharmazeutischen Wirkstoffen handelt es sich vielfach um chirale Substanzen, bei denen verschiedene räumliche Anordnungen der Atome möglich sind. Substanzen mit gleicher Summenformel, aber verschiedener räumlicher Struktur, werden als Enantiomere bezeichnet. Chiralität ist von enormer Bedeutung für die korrekte Wirksamkeit eines Pharmazeutikums, da diese meist auf einem bestimmten Enantiomer beruht.
Um gezielt einzelne Enantiomere herzustellen, ist traditionell eine mehrstufige Synthese unter Verwendung von Schutzgruppenchemie und toxischen Hilfsstoffen erforderlich. Dieses Verfahren trägt damit zur Entstehung erheblicher Abfallströme bei. Hier stellen Bio-Transformationen auf der Basis enzymatischer Kaskaden eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternative dar. Mit Hilfe von biologisch abbaubaren und hochselektiven Biokatalysatoren können unter milden Reaktionsbedingungen hochwertige Moleküle aus biobasierten Materialien hergestellt werden.
Genau hier setzt der im HyImPAct-Projekt verfolgte hybride Demonstrationsprozess mit dem konkreten Produkt Metaraminol sowie der Produktklasse der Tetrahydroisoquinoline (THIQs) an (Abb. 2). Für alle Kaskadenschritte konnten geeignete Bio- und Chemokatalysatoren mit hoher Aktivität gewonnen werden, insbesondere für die Umsetzung von realen Substraten aus zellfreien Kulturüberständen der vorgeschalteten mikrobiellen Biotransformation.
Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass hybride Produktionsprozesse eine nachhaltige Produktion von Plattformchemikalien und pharmazeutischen Wirkstoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe ermöglichen. Hybride Prozessansätze sind damit essenziell für die Erreichung bereits beschlossener Klimaziele hinsichtlich ihrer CO2-Neutralität und einer konsequenten Umsetzung bestehender Umweltstandards bei der Produktion von Wertstoffen und werden damit zwangsläufig an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen.
Dr.-Ing. Stephan Noack
IBG-1: Biotechnologie, Quantitative Microbial Phenotyping
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HERBRAND PharmaChemicals GmbH
01.01.2018 – 30.09.2021
Das Gesamtbudget von HyImPAct beträgt € 1.905.990. HyImPAct ist Teil des NRW-Strategieprojekts BioSC und gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.