Ein kleiner, aber feiner Unterschied zwischen dem Photosyntheseweg vieler Nutzpflanzen und dem von Unkräutern, die deren Ertrag mindern können, öffnet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des BioSC die Tür zu einem selektiven und nachhaltigen Pflanzenschutz. Schlüsselelemente in diesem Konzept sind ein Enzym, das wesentlich an der Biomasseproduktion vieler Unkräuter beteiligt ist, und ein Naturstoff aus Holzabfällen, der dieses hemmt.
Die heimische und weltweite Landwirtschaft wird in den kommenden Jahren vor vielfältigen Herausforderungen stehen, um die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen Agrarprodukten zu gewährleisten. Hierzu zählen unter anderem die zunehmende Verknappung der Produktionsfaktoren Boden und Wasser, die starke Abhängigkeit der Ernteerträge von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie der zunehmende Klimawandel. Aktuelle Klimamodelle prognostizieren immer längere Dürreperioden und höhere Durchschnittstemperaturen im Sommer, der Hauptvegetationsperiode unserer Landwirtschaft.
Kleiner Unterschied – große Wirkung
Der Stoffwechselweg, durch den unsere Nutzpflanzen aus Sonnenlicht, Wasser und Kohlenstoffdioxid Nährstoffe bilden, ist nicht darauf ausgelegt, längere Trockenperioden und hohe Temperaturen zu tolerieren. Beispiele für heimische Nutzpflanzen, die diesen als „C3-Photosynthese“ bezeichneten Stoffwechselweg für ihr Wachstum und ihre Entwicklung verwenden, sind Raps und Zuckerrübe. Im Gegensatz zu diesen beiden typischen Vertretern des C3-Photosynthesewegs nutzt der an trockenere und wärmere Standorte angepasste Wilde Amarant so wie viele andere der weltweit vorkommenden aggressivsten Unkräuter einen anderen Stoffwechselweg für sein Wachstum und seine Ent-
wicklung. Dieser als „C4-Photosynthese“ bezeichnete Weg macht diese Pflanzen außergewöhnlich konkurrenzstark, besonders mit Blick auf die kommenden klimatischen Veränderungen.
Die Erforschung des C4-Wegs und die Unterschiede zum C3-Stoffwechsel, den die meisten Nutzpflanzen verwenden, stand im Zentrum des BioSC Boost-Fund-Projektes C4-PSH. Ziel des Projektes war es, molekulare Unterschiede in den beiden Photosynthesewegen zu identifizieren. Diese können dann als Angriffspunkt genutzt werden, um umweltverträgliche Pflanzenschutzmittel zu entwickeln, die spezifisch auf den von den Unkräutern genutzten C4-Weg wirken, Nutzpflanzen mit C3-Weg jedoch nicht beeinflussen.
Biochemische und strukturbiologische Arbeiten an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf konnten einen wirksamen
Angriffspunkt in einem Schlüsselenzym des C4-Photosynthesewegs, der Phosphoenolpyruvat-Carboxylase, identifizieren. Dieses kommt zwar auch in C3-Pflanzen vor, besitzt aber dort keine zentrale Bedeutung für Wachstum und Entwicklung. C4-Pflanzen können dagegen ohne eine funktionierende Form dieses Enzyms nicht wachsen beziehungsweise überleben. Über den Vergleich der molekularen Struktur der C4-Form mit der in C3-Pflanzen vorkommenden Isoform des Enzyms konnten die Düsseldorfer Teams Unterschiede in einem bestimmten Bindungsbereich dieses hochkomplexen Moleküls ausmachen, der die Enzymfunktion stilllegen kann.
Akribische Suche zahlt sich aus
Basierend auf der Architektur der beiden Enzym-Isoformen und den strukturellen Unterschieden identifizierten die Forschenden mithilfe von computerbasierten Verfahren eine Reihe von Substanzen, welche an die C4-Isoform, nicht jedoch oder nur sehr schlecht an die C3-Form binden. Sie filterten die aussichtsreichsten Kandidaten aus umfangreichen Wirkstoff-Bibliotheken, bestehend aus über 20 Millionen Verbindungen. In diesen Analysen wurde mit dem Naturstoff Okanin eine Substanz entdeckt, die nahezu perfekt an die Bindungsstelle des C4-Enzyms passt. Okanin kann nicht nur auf synthetischem Wege gewonnen werden, sondern auch durch Extraktion direkt aus dem Holz verschiedener industriell genutzter Baumarten. Im Gegensatz dazu zeigt die Verbindung keinen oder nur stark eingeschränkten Zugang zu der entsprechenden Bindungstasche in der C3-Phosphoenolpyruvat-Carboxylase. Nachfolgende Laborexperimente mit den beiden gereinigten Enzym-Formen konnten die selektive Hemmung des C4-Enzyms bestätigen.
Dass der Naturstoff Okanin nicht nur im Reagenzglas eine Hemmung der gereinigten C4-Phosphoenolpyruvat-Carboxylase bewirkt, sondern auch das Wachstum typischer C4-Unkrautpflanzen hemmt und dabei C3-Nutzpflanzen wie Raps oder Zuckerrübe nicht beeinflusst, konnte in vergleichenden Pflanzenstudien am Forschungszentrum Jülich nachgewiesen werden. Ebenso zeigten mikrobiologische Tests in den Jülicher Laboren, dass Okanin keine negativen Einflüsse auf typische Vertreter der bakteriellen Bodenflora hat. Okanin sowie von diesem Stoff abgeleitete natürliche und synthetische Derivate sind damit attraktive neue Verbindungen für den selektiven Pflanzenschutz.
Durch disziplinübergreifende Forschung aus den Bereichen Strukturforschung, molekulare Bioinformatik, Mikrobiologie und Pflanzenwissenschaften konnte im Rahmen des C4-PSH Projektes somit gezeigt werden, wie die Entdeckung eines umweltfreundlichen Pflanzenschutzmittels gelingen und anfängliche Grundlagenforschung in angewandte, gesellschaftlich relevante Forschung münden kann.
Projektleitung
Prof. Dr. Georg Groth
Institut für Biochemische Pflanzenphysiologie, HHU Düsseldorf
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Beteiligte Core Groups
Prof. Dr. Georg Groth, Dr. Giang Nguyen
Institut für Biochemische Pflanzenphysiologie, HHU Düsseldorf
Prof. Dr. Holger Gohlke, Dr. German Erlenkamp
Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie, HHU Düsseldorf
Prof. Dr. Michael Bott, Dr. Andreas Küberl
IBG-1 Biotechnologie, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Ulrich Schurr, Dr. Fabio Fiorani
IBG-2 Pflanzenwissenschaften, Forschungszentrum Jülich
Projektlaufzeit
01.01.2014 – 31.12.2015
Förderung
C4-PSH ist Teil des NRW-Strategieprojekt BioSC und gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Publikationen
Nguyen, GT, Erlenkamp, G, Jack, O, Kuberl, A, Bott, M, Fiorani, F, Gohlke, H and Groth, G (2016). Chalcone-based selective inhibitors of a c4 plant key enzyme as novel potential herbicides. Sci Rep 6: 27333.
Paulus, JK, Forster, K and Groth, G (2014). Direct and selective small-molecule inhibition of photosynthetic pep carboxylase: New approach to combat c4 weeds in arable crops. FEBS Lett 588(12): 2101-2106.