Unsere Nährstoffströme sind ineffizient und teilweise verschwenderisch in Bezug auf Substanz, Energie und Wasser. Jede Möglichkeit, einen echten Kreislauf zu etablieren, um unabhängiger und zukunftsfähiger zu werden, sollte genutzt werden. Schnell wachsende und inhaltsstoffreiche Mikroalgen sind hierbei eine vielversprechende und flexible Ressource der Zukunft. Der effektive Nährstofftransfer zurück zur Pflanze via Mikroalgendünger wurde erfolgreich im Projekt „AlgalFertilizer“ gezeigt.
Pflanzen benötigen außer Licht und Wasser auch Nährstoffe, insbesondere viel Phosphor und Stickstoff. Bisher kommen dafür große Mengen mineralischen Düngers zum Einsatz. Darin enthaltener Phosphor wird aus phosphohaltigem Gestein gewonnen, das sich über Millionen Jahre gebildet hat. Die weltweiten Vorkommen sind begrenzt und konzentrieren sich auf wenige ergiebige Orte. Im Hinblick auf eine unabhängige Nahrungsmittelproduktion ist daher, besonders hinsichtlich Phosphor, eine möglichst effiziente Ressourcenrückgewinnung eine wichtige Investition in die Zukunft. Algen können hierbei eine wichtige Rolle spielen – sie nehmen Phosphor sehr effektiv aus ihrer Umgebung auf und wachsen unter entsprechenden Lichtbedingungen und unter Aufnahme von klimaschädlichem CO2 deutlich schneller als Landpflanzen. Das Projekt „AlgalFertilizer“ hat mit fünf Core Groups im BioSC die Phosphor-Aufnahme von Mikroalgen aus phosphathaltigem Wasser und Abwasser und den Transfer dieses Phosphors von der Mikroalgenmasse zu Weizenpflanzen untersucht.
Gut für die Umwelt
Zunächst interessierte es die Forschenden, wie genau die erstaunlich gute Phosphoraufnahme in die Algenzellen funktioniert. Denn mit diesem wissenschaftlichen Verständnis konnten sie besonders effektive Algenarten identifizieren und weitere Optimierungen umsetzen. In der Folge untersuchten die Forscherteams, ob diese Algen Phosphor vollständig aus dem Wasser aufnehmen. Damit können Algen einen wichtigen Beitrag zur Wasserreinigung in Klärwerken leisten, da die Grenzwerte für Phosphat in geklärtem Abwasser zukünftig noch weiter gesenkt werden – effiziente Abtrennungsmethoden sind somit essenziell. Gleichzeitig wird auch Stickstoff von den Algen mit aufgenommen, beide Nährstoffe führen in Flüssen und Seen zur Eutrophierung, einer Überdüngung, wenn sie im Übermaß vorhanden sind.
Eine weitere Frage ist, ob eine Pflanze mit dem Eintrag nährstoffreicher Algenbiomasse ausreichend versorgt werden kann. Die im Projekt untersuchten Algenzellen enthalten die Nährstoffe Phosphor und Stickstoff in einer optimalen Mischung für das Pflanzenwachstum. Kommen diese Nährstoffe auch bei der Pflanze an? Ist ein auf Algen basierter Dünger einem Mineraldünger sogar überlegen, weil die Nährstoffe erst nach und nach aus den Algenzellen freigesetzt werden und daher langfristiger als eine Art Depotnährstoff wirken? Für die Antworten auf diese Fragen bedeutete dies, Nährstoffe, Wasser, Algen, Boden und Pflanzen experimentell zusammenzubringen, um den Nährstofftransfer ganz genau nachzuverfolgen.
Erfolgreiche Tests
Die Algenproduktion erfolgte zunächst in einem sogenannten biomimetischen Bioreaktor im Forschungszentrum Jülich. Dieser brachte durch eine besonders effektive Lichtverteilung mehr als doppelt so hohe Zelldichten hervor. Diese Algen wurden für die Charakterisierung der Phosphoraufnahme erzeugt. Für die deutlich größeren Mengen an Algenbiomasse, die in den Feld- und Topfversuchen gebraucht wurden, produzierten die Forscher die gleichen Algen im Gewächshaus in Schläuchen. Ein Liter Algenlösung liefert gewöhnlich nur ein bis zwei Gramm getrockneter Algenbiomasse. Somit müssen mehrere Kubikmeter Algenlösung für ausreichend Dünger kultiviert werden. Da dies mithilfe von Sonnenlicht im Gewächshaus geschieht, ist diese Art der Produktion weniger gleichmäßig als im Labor, liefert aber zuverlässig die benötigte Biomasse.
Bei der Nährstoffaufnahme aus Wasser zeigte sich, dass bestimmte, vormals ausgehungerte Algen der Chlorella-Arten weit mehr Phosphor aufnehmen, als sie für ihren eigenen Stoffwechsel brauchen. Diese sogenannte Luxusaufnahme macht dann bis zu acht Prozent der Trockenmasse aus, während der Phosphorgehalt normalerweise nur etwa ein Prozent beträgt. Um die hier zugrunde liegenden Prozesse genau zu verstehen, analysierten die Wissenschaftler die tatsächliche Menge des Phosphors in den Zellen und die Formen, in denen er vorliegt. Denn er kann zum Beispiel als freies Phosphat, als aneinandergebundene Polyphosphatketten oder organisch gebunden vorkommen.
Diese Formen beeinflussen die Pflanzenverfügbarkeit des Phosphors nach Abbau der Algenbiomasse im Boden. Es konnte gezeigt werden, dass sich Phosphor größtenteils in Polyphosphatketten in der Zelle ansammelt, einer schnell verfügbaren Speicherform. Ein ergänzendes Computermodell der Heinrich-Heine-Universität zum Phosphor-Stoffwechsel simuliert mit den so erhaltenen Daten das Wachstum der Algen. Es beschreibt die Dynamik und den Umbau zwischen den verschiedenen Phosphorformen in der Zelle. Fazit: Algen bieten sehr gute Voraussetzungen, Phosphat aus Wasser oder Abwasser zu entfernen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse kann eine erfolgversprechende Algendüngestrategie entwickelt werden.
In der Natur bestätigt
In einem ersten Feldversuch auf vormals normal gedüngtem Boden verglichen Forscher der Universität Bonn den Effekt von Algen-, Hühnerkot- und Mineraldünger auf Keimung und Wachstum von Weizenpflanzen. Das Ergebnis: Die Pflanzen wuchsen in allen drei Versuchsanordnungen ungehindert. Es folgten vom Forschungszentrum Jülich und der Universität Bonn gemeinsam gestaltete automatisierte Topfexperimente zum Vergleich der Darreichungsform: Trockene beziehungsweise frische Algenbiomasse und als Kontrolle Mineraldünger in einer Standard- und einer Mangeldüngung. Die Analyse des Wachstums wie auch die Bewässerung fand mit einem kameraausgerüsteten Kransystem statt und ermöglichte eine statistische Auswertung. Die mit Algenbiomasse gedüngten Weizenpflanzen waren sowohl bei trockenem als auch frischem Algendünger dem Mineraldünger annähernd gleichwertig.
Es blieb die Frage, ob der von den Pflanzen aufgenommene Phosphor tatsächlich von den Algen stammt oder von Mikroorganismen, die die Algen kompostieren, beziehungsweise ob bereits im Boden festgelegtes Phosphor durch diese Prozesse wieder gelöst wird. Daher wurden in einem kontrollierten Laborexperiment Algen mit radioaktivem 33Phosphor versorgt und anschließend als Dünger in sogenannten Rhizotronexperimenten verwendet. Die so gedüngten Weizenpflanzen wurden in verschiedenen Entwicklungsstufen zeitaufgelöst mit einem „Bio-Imager“, der zur Sichtbarmachung vorhandener Radioaktivität dient, charakterisiert.
Es zeigte sich in Wurzeln und Blättern, dass in der Tat der algenbürtige Phosphor in die Pflanze aufgenommen wurde – zunächst zeitverzögert im Vergleich zu mineralischem Phosphor, nach etwa drei Wochen jedoch in der gleichen Größenordnung. Die verzögerte Verfügbarkeit deutet auf einen vorgelagerten Freisetzungsmechanismus und damit auf längeren bioverfügbaren Verbleib im Oberboden. Algengetragener Phosphor verzögert somit die schnelle Phosphorbindung an Minerale wie eine Verlagerung in den Unterboden und minimiert damit den Verlust des Nährstoffs in Bezug auf die Nutzung durch Pflanzen.
AlgalFertilizer bestätigt mit diesen Ergebnissen das Potenzial von Algen im Nährstoffkreislauf. Zukünftige Projekte sollen dann die bioökonomische Evaluation und Nutzung ermöglichen.
Projektleitung
Prof. Dr. Oliver Ebenhöh
Institut fürQuantitative und Theoretische Biologie, HHU Düsseldorf
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Beteiligte Core Groups
Prof. Dr. Oliver Ebenhöh
Institut für Quantitative und Theoretische Biologie, HHU Düsseldorf
Prof. Dr. Ulrich Schurr, Dr. Christina Kuchendorf, Dr. Ladislav Nedbal
IBG-2 Pflanzenwissenschaften, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Wulf Amelung
Dr. Henning Schiedung, INRES - Bodenwissenschaften, Universität Bonn
Prof. Dr. Harry Vereecken, Dr. Diana Hofmann, Dr. Nina Siebers
IBG-3 Agrosphäre, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Andreas Weber, Dr. Tabea Mettler-Altmann
Institut für Biochemie der Pflanzen, HHU Düsseldorf
Projektlaufzeit
01.11.2015 - 31.10.2017
Förderung
AlgalFertilizer ist Teil des NRW-Strategieprojekt BioSC und gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Publikationen
Singh, D, Nedbal, L, and Ebenhöh, O (2017) Modelling phosphorus uptake in microalgae. Biochem Soc Trans 46(2): 483-490.
Schreiber, C, Schiedung, H, Harrison, L, Briese, C, Ackermann, B, Kant, J, Schrey, SD, Hofmann, D, Singh, D, Ebenhöh, O, Amelung, W, Schurr, U, Mettler-Altmann, T, Huber, G, Jablonowski, ND and Nedbal, L (2018). Evaluating potential of green alga Chlorella vulgaris to accumulate phosphorus and to fertilize nutrient-poor soil substrates for crop plants. Journal of Applied Phycology.
Moudříková, Š, Nedbal, L, Solovchenko, A and Mojzeš, P (2017). Raman microscopy shows that nitrogen-rich cellular inclusions in microalgae are microcrystalline guanine. Algal Research 23: 216-222.
Moudrikova, S, Sadowsky, A, Metzger, S, Nedbal, L, Mettler-Altmann, T and Mojzes, P (2017). Quantification of Polyphosphate in Microalgae by Raman Microscopy and by a Reference Enzymatic Assay. Anal Chem 89(22): 12006-12013.
Solovchenko, A, Verschoor, AM, Jablonowski, ND and Nedbal, L (2016). Phosphorus from wastewater to crops: An alternative path involving microalgae. Biotechnol Adv 34(5): 550-564.