Forschen • Ausbilden • Vernetzen
Für eine nachhaltige Bioökonomie

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Für eine nachhaltige Bioökonomie

Bio² - Verfahrenstechnische Entwicklung und Bewertung

Die Herstellung mikrobieller Biotenside ist verknüpft mit der Idee einer fortschrittlichen und nachhaltigen Prozessgestaltung. Mikrobiologische Aspekte, eine optimierte Fermentationsstrategie und ein effizienter Produktaufarbeitungsprozess bilden die Grundlage. Durch die Entwicklung eines neuartigen in-situ-Membranmoduls, welches Vorteile einer blasenfreien Sauerstoffzufuhr und einzigartige Kontrollfunktionen im Rahmen der Fermentation vereint, wurde die Notwendigkeit mechanischer und chemischer Methoden der Schaumzerstörung unnötig. Orientiert am Anspruch maximaler Rückgewinnung und Reinheit des Produktes unter Berücksichtigung von minimiertem Ressourceneinsatz wurden Produktaufarbeitungsstrategien entwickelt und evaluiert. Basierend auf Studien im Labor- und Technikumsmaßstab wurden eine Ökobilanz, eine Lebenszykluskosten-Analyse und eine soziale Lebenszyklusanalyse der Prozesse durchgeführt, um Ansatzpunkte für Optimierungen und die Identifizierung vorteilhafter Prozesseigenschaften frühzeitig aufzuzeigen.

Schaumfreie Begasung dank Membrantechnologie – innerhalb der Projektlaufzeit konnten mehrere Prototypen von in-situ-Membranmodulen für die Blasen- (und damit Schaum-) freie Begasung hergestellt und getestet werden. Durch die Kombination von Hochtechnologie-Fertigung (5-Achs-CNC Fräsen, 3D-Druckern, Plasma-Oberflächenaktivierung), Spezialmembranen aus dem Gebiet der Medizintechnik („künstliche Lunge“) und Strömungssimulationen, konnte erstmalig effizient eine aerobe Fermentationsbrühe mit Sauerstoff versorgt werden. Die Ergebnisse (Raum-Zeit Ausbeute von 76.8 mg Rhamnolipid pro Liter und Stunde) sind hinsichtlich des wesentlich einfacheren Produktaufarbeitungsprozesses (Wegfall von Antischaummitteln) umso beachtlicher, bedenkt man, dass auch größere Anlagen so versorgt werden könnten, ohne mechanische Schaumzerstörer nutzen zu müssen.

Auch die RWTH Aachen hat das Potential dieser Technologie erkannt und eine Patentanmeldung („Membranmodul für blasenfreie Begasung“; DE 10 2020 102 420.7) verabschiedet. Nach mehr als vierzehn erfolgreichen Fermentationen mit den Projektpartnern am iAMB und der AVT.BioVT, sind gemeinsame Publikationen auf den Weg gebracht worden. Interessanterweise lässt sich diese Technik auch mit in-situ Zellrückhalte-Membranen kombinieren, was eine zusätzliche Prozessintensivierung ermöglicht. Im Rahmen des Vorhabens „Exzellenz Start-up Center.NRW – Innovation Sprint“ bekam diese Technologie weitere Mittel, um Prototypen auch nach Ende der Förderung im BioSC entwickeln zu können und die industrielle Technologiereife zu erhöhen. Das RWTH Aachen University Spin-Off Projekt „BioThrust“ soll dies unter Beweis stellen.

Abb. 1: Links dargestellt ist der Gesamtaufbau in einem CAD-Prgramm: Rührwerk inklusive Gasanschlüsse und Bioreaktor mit Membran-Rührermodul. Rechts: Detailansicht aus dem Labor für die abiotische Charakterisierung der Gaseintragsleistung des Membran-Rührermoduls im 3L-Gefäß.

Evaluierung und Optimierung von Aufarbeitungsstrategien – die Entwicklung effizienter, ressourcenschonender Aufarbeitungsprozesse stellt eine große Herausforderung im Rahmen einer nachhaltigen Biotensidproduktion dar. Auf Basis von Prozessverständnis sowie Vorwissen aus der Fachliteratur wurden im Rahmen des Projektes relevante Trennoperationen identifiziert, intensiv hinsichtlich relevanter Kennzahlen untersucht und sinnvolle Verschaltungen zu Aufarbeitungsprozessen durchgeführt. Zur Evaluierung von Trennoperationen hinsichtlich relevanter Kennzahlen wurden neben im Labor aufgenommenen experimentellen Daten, modellbasierte Screening Ansätze in die Untersuchungen einbezogen. Modellbasierte Ansätze bieten die Möglichkeit eine Vielzahl relevanter Parameter von Trennoperationen ressourcenschonend zu untersuchen. So wurde am Beispiel der Flüssig-flüssig Extraktion ein modellbasiertes Lösungsmittelscreening zur Auswahl des besten Lösungsmittels aus einer Vielzahl von Kandidaten durchgeführt. Auf Basis der experimentellen sowie simulativen Daten wurden Trennoperationen sinnvoll miteinander verschaltet und Prozessparameter ausgewählt.

Neben diesen konventionellen Aufarbeitungsstrategien im Anschluss an eine abgeschlossene Fermentation, wurde in Kooperation mit der AVT.BioVT und AVT.CVT zudem ein integriertes Prozesskonzept verfolgt. Dieses verbindet die Operationen der Fermentation mit blasenfreier Begasung sowie einer in situ Extraktion und bietet das Potential die Produktivität des Gesamtprozesses zu erhöhen und das Problem der Schaumbildung durch kontinuierliches Abtrennen des Produktes weitergehend zu minimieren. Das Prozesskonzept zeigte im Labormaßstab vielversprechende Ansätze zur Prozessintensivierung.

 

Nachhaltigkeitsbewertung der Biotensid-Produktion – unter Anwendung etablierter Bewertungsmethoden der Ökobilanzierung (LCA), Lebenszykluskostenanalyse (LCC) sowie der Datenbank-basierten Bewertung sozialer Risiken (S-LCA) wurden vier Produktionsrouten (2 Produkte, 2 Substrate) hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit untersucht. Die Systeme umfassten dabei Prozesse von der Biomassebereitstellung bis zum Produkt Biotensid.

Beim Vergleich zeigten sich für die Produktion von Mannosylerythritollipiden (MEL) geringere Umweltwirkungen als bei Rhamnolipiden (RL), wobei die Substratwahl eine untergeordnete Rolle spielte. Ein Vergleich mit den Umweltwirkungen konventioneller Tenside zeigte vielversprechende Ergebnisse, die sich durch Recycling-Optimierungen und eine effiziente Auslegung weiter verbessern lassen. Hinsichtlich der ökonomischen Bewertung konnte durch eine Marktdaten-Analyse, ökonomische Kennzahlen und spezifische Produktpreise die Wettbewerbsfähigkeit der entwickelten Prozesse und Produkte im Vergleich zum aktuellen Marktgeschehen positiv bewertet werden. Die industrielle Produktion mikrobieller Biotenside ist demnach in einem wirtschaftlichen Rahmen grundsätzlich möglich. Die Bewertung sozialer Risiken anhand relevanter Indikatoren und Stakeholder konnte aufzeigen, welche Aspekte prioritär betrachtet werden sollten. Einflussgrößen, wie bspw. die Produktionsstandort- und Wirtschaftszweig-bedingten Auswirkungen auf die Sozialrisiken konnten ermittelt werden.

Die geringeren Umweltwirkungen, niedrigere spezifische Preise und deutliche Vorteile ausgewählter Indikatoren zum sozialen Risiko lassen darauf schließen, dass die Produktion von MEL sinnvoller erscheint. Zudem konnten Ansatzpunkte zur Optimierung ermittelt, kritische Flüsse identifiziert und Entwicklungsempfehlungen abgeleitet werden. Ein Vergleich mit konventionellen Produkten zeigte demnach vielversprechende Ergebnisse.

 

Abb.2: Darstellung ausgewählter exemplarischer relativer Ergebnisse für die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit für vier untersuchte Prozessketten im Industriemaßstab.

Beteiligte Core Groups

Dr. Wilhelm Kuckhinrichs
Andreas Schonhoff
Dr. Petra Zapp
Dr. Andrea Schreiber
Institute of Energy and Climate Research – Systems Analysis and Technology Evaluation
Forschungszentrum Jülich

 

Prof. Matthias Wessling
Patrick Bongartz
Chair of Chemical Process Engineering
RWTH Aachen University

 

Prof. Andreas Jupke
Andreas Biselli
Chair of Fluid Process Engineering
RWTH Aachen University