Bioprozesse mit Mikroorganismen als Biokatalysatoren spielen bei der Etablierung einer nachhaltigen Bioökonomie eine entscheidende Rolle. Im Rahmen des BioSC Boost-Fund-Projektes „Gluconobacter Factory“ wurde in einem interdisziplinären Forschungsansatz das Essigsäurebakterium Gluconobacter oxydans hinsichtlich molekularer Grundlagen und Anwendungspotenziale erforscht. Daraus resultierte unter anderem ein hocheffizienter Produktionsprozess für einen potenziellen neuen Süßstoff, der natürlich und kalorienarm ist.
Viele biotechnologische Produktionsprozesse gehen von Zuckern wie Glucose, Fruktose oder Saccharose aus. Diese werden von Mikroorganismen üblicherweise zunächst in das Innere der Zelle, das Cytoplasma, transportiert und dort über eine Vielzahl von enzymkatalysierten Schritten in das gewünschte Produkt umgesetzt, das dann wieder aus dem Cytoplasma exportiert werden muss. Bei Gluconobacter laufen zahlreiche Produktionsprozesse jedoch außerhalb des Cytoplasmas ab, im Periplasma, dem Raum zwischen der Cytoplasmamembran und der äußeren Membran. Dort sitzen Enzyme, genannt Dehydrogenasen, die Zucker und andere Kohlenhydrate hochspezifisch an einem bestimmten Kohlenstoffatom oxidieren. Die dabei frei werdenden Elektronen werden über andere Enzyme (Cytochrom-Oxidasen) auf Sauerstoff übertragen, der dabei zu Wasser umgesetzt wird. Solche spezifischen Oxidationen sind rein chemisch nur sehr schwierig oder überhaupt nicht möglich, weshalb hier die überlegenen Fähigkeiten von Mikroorganismen gefragt sind. Das Bakterium Gluconobacter oxydans wird aus diesen Gründen bereits seit den 1930er Jahren industriell bei der Herstellung von Vitamin C genutzt. Um das biokatalytische Potenzial dieses Bakteriums noch besser und breiter nutzen zu können, arbeitete ein interdisziplinäres Team an der detaillierten Analyse der genetischen Information und der Entwicklung neuer Produktionsstämme und Produkte.
2.664 Gene analysieren
Die genetische Information von Gluconobacter oxydans in Form von Desoxyribonukleinsäure (DNS) ist in einem zirkulären Chromosom aus 2,7 Millionen Basenpaaren mit 2.432 Genen und fünf Plasmiden mit nochmals insgesamt 232 Genen organisiert. Die Frage, wie die mehr als 2.600 Gene von Gluconobacter oxydans in Transkriptionseinheiten organisiert sind und welche Kontrollsequenzen die Übersetzung der DNS in Ribonukleinsäuren (RNS) steuern, wurde durch die Sequenzierung der RNS und anschließende bioinformatische Analysen beantwortet. Diese umfangreichen Informationen werden der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf einer frei zugänglichen webbasierten Bioinformatik-Plattform unter www.gluconobacterfactory.de zur Verfügung gestellt.
Bei der industriellen Nutzung von Gluconobacter oxydans müssen zunächst einmal große Mengen an Zellen des Bakteriums gezüchtet werden. Dabei haben die speziellen Eigenschaften von Gluconobacter oxydans einen Nachteil: Aus einem Kilogramm Glucose können nur etwa 100 Gramm Zellen gewonnen werden, während bei Bakterien mit gewöhnlichem Stoffwechsel etwa 500 Gramm Zellen erhalten werden. Das heißt, die Zellgewinnung ist bei Gluconobacter oxydans deutlich teurer. Durch gezielte Veränderung der Glucose-Verstoffwechselung, dem sogenannten Metabolic Engineering, konnte ein Stamm konstruiert werden, der 160 Gramm Zellen pro einem Kilogramm Glucose liefert und damit eine Verringerung der Kosten für die Zellgewinnung ermöglicht.
Kalorienarmen Süßstoff produzieren
Aufgrund seiner speziellen Eigenschaften ist Gluconobacter oxydans hervorragend geeignet, um membrangebundene periplasmatische Enzyme auch aus anderen Bakterien zu synthetisieren und ihre Eigenschaften und Anwendungspotenziale zu untersuchen. Als besonders vielversprechend erwies sich dabei die Fruktose-Dehydrogenase aus dem verwandten Bakterium Gluconobacter japonicus. Dieses Enzym besteht aus drei verschiedenen Untereinheiten und katalysiert hochspezifisch die Oxidation von Fruktose zu 5-Ketofruktose. 5-Ketofruktose ist ein sehr interessantes Produkt, weil die Verbindung einerseits einen vergleichbaren Geschmack und eine ähnliche Süßkraft hat wie die Fruktose selbst, aber andererseits im Gegensatz zu Fruktose von unserer Darmflora anscheinend nicht oder nur geringfügig verstoffwechselt wird. Das sind genau die Eigenschaften, die ein kalorienarmer Süßstoff besitzen sollte. Das Potenzial zur technischen Herstellung von 5-Ketofruktose aus Fruktose mit Gluconobacter oxydans-Zellen, welche die Fruktose-Dehydrogenase überproduzieren, wurden vom Projekt-Team durch Methoden der Bioverfahrenstechnik evaluiert und optimiert. Dabei konnte ein Prozess entwickelt werden, mit dem 490 Gramm 5-Ketofruktose pro Liter mit einer Produkt-Ausbeute von 0,92 Gramm pro eingesetztem Gramm Fruktose und einer Raum-Zeit-Ausbeute von 7 Gramm pro Liter und Stunde produziert werden konnte. Damit wurde gezeigt, dass eine wirtschaftliche Herstellung dieses potenziellen Süßstoffs möglich ist. In weiteren Studien muss nun die Verträglichkeit der 5-Ketofruktose nachgewiesen werden.
Patent angemeldet
Das Projekt zeigt, dass das Konzept der interdisziplinären Zusammenarbeit im Rahmen von Boost-Fund-Forschungsprojekten erfolgreich und auch für die Zukunft äußerst vielversprechend ist. Es ermöglicht Grundlagenforschung als Basis für Innovationen und die Etablierung einer auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Bioökonomie. Aus dem GLUFACT-Projekt resultierten eine Patentanmeldung und sieben Originalpublikationen in begutachteten Fachzeitschriften. Es folgten zwei BMBF-geförderte Forschungsverbünde (IMPRES und IMPRES-2), in denen die 5-Ketofruktose-Produktion weiterentwickelt sowie neue Produkte für die humane Ernährung etabliert wurden.
Prof. Dr. Michael Bott, Dr. Stephanie Bringer
IBG-1 Biotechnologie, Forschungszentrum Jülich
E-Mail
Prof. Dr. Michael Bott, Dr. Stephanie Bringer, Dr. Ines Kiefler, Dr. Tino Polen, Dr. Angela Kranz
IBG-1 Biotechnologie, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Björn Usadel, Dr. Alexander Vogel
IBG-4 Bioinformatik, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Uwe Deppenmeier, Dr. Konrad Kosciow, Dr. Anna Siemen
Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie, Universität Bonn
Prof. Dr.-Ing. Jochen Büchs, Dr. Elena Herweg
AVT – Bioverfahrenstechnik, RWTH Aachen
1.1.2014 – 31.12.2016
GLUFACT ist Teil des NRW-Strategieprojekt BioSC und gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Kiefler, I, Bringer, S and Bott, M (2015). Sdhe-dependent formation of a functional acetobacter pasteurianus succinate dehydrogenase in gluconobacter oxydans--a first step toward a complete tricarboxylic acid cycle. Appl Microbiol Biotechnol 99(21): 9147-9160.
Kosciow, K, Domin, C, Schweiger, P and Deppenmeier, U (2016). Extracellular targeting of an active endoxylanase by a tolb negative mutant of gluconobacter oxydans. J Ind Microbiol Biotechnol 43(7): 989-999.
Kosciow, K, Zahid, N, Schweiger, P and Deppenmeier, U (2014). Production of a periplasmic trehalase in gluconobacter oxydans and growth on trehalose. J Biotechnol 189: 27-35.
Loehrer, M, Vogel, A, Huettel, B, Reinhardt, R, Benes, V, Duplessis, S, Usadel, B and Schaffrath, U (2014). On the current status of phakopsora pachyrhizi genome sequencing. Front Plant Sci 5: 377.
Luchterhand, B, Fischoder, T, Grimm, AR, Wewetzer, S, Wunderlich, M, Schleputz, T and Buchs, J (2015). Quantifying the sensitivity of g. Oxydans atcc 621h and dsm 3504 to osmotic stress triggered by soluble buffers. J Ind Microbiol Biotechnol 42(4): 585-600.
Meyer, M, Schweiger, P and Deppenmeier, U (2015). Succinic semialdehyde reductase gox1801 from gluconobacter oxydans in comparison to other succinic semialdehyde-reducing enzymes. Appl Microbiol Biotechnol 99(9): 3929-3939.
Zahid, N and Deppenmeier, U (2016). Role of mannitol dehydrogenases in osmoprotection of gluconobacter oxydans. Appl Microbiol Biotechnol 100(23): 9967-9978.