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Für eine nachhaltige Bioökonomie

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Für eine nachhaltige Bioökonomie

Was bewegt die Stakeholder auf dem Weg zur Bioökonomie?

Verschiedenste Stakeholder wie Wissenschaftler, Vertreter aus der Landwirtschaft oder der Zivilgesellschaft knüpfen ihre eigenen Vorstellungen und Erwartungen an das Konzept „Bioökonomie“. Eine kohärente Strategie und erfolgreiche Umsetzung erfordern ein Mindestmaß an Konsens – und Wissen.

Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie veranlasst auch einen gesellschaftlichen Wandel. Tiefgreifende Veränderungen im Umgang mit natürlichen Ressourcen betreffen unterschiedlichste Wirtschaftssektoren und Bereiche des Alltagslebens. Daher vertreten betroffene Akteure, die sogenannten Stakeholder, verschiedene Interessen und Einstellungen gegenüber der Entwicklungsrichtung und Umsetzung einer Bioökonomie. Diese Positionen zusammenzubringen ist eine zentrale Herausforderung für den Erfolg der Transformation. Das Kompetenzplattform-Projekt Transform2Bio widmet sich diesen Fragen einer gesellschaftlichen Bioökonomie-Transformation am Beispiel des Rheinischen Reviers. Dazu werden die Visionen verschiedener Stakeholder untersucht, unter anderem der Zivilgesellschaft, der Landwirtschaft und der Wissenschaft.

Abb. 1: Industriefelder in der Bioökonomie/[allgemeine Grafik zu Stakeholdergruppen der Bioökonomie (Quelle: Waßenhoven, A., Block, C., Wustmans, M., & Bröring, S. (2020). Analyzing an emerging business ecosystem through M&A activities: The case of the Bioeconomy. Business Strategy and Development. (Early Access) in Anlehnung an Bröring, S. (2005). The front end of innovation in converging industries: The case of nutraceuticals and functional foods. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag).

Das Konzept der Bioökonomie erfordert unter anderem die Zusammenarbeit von Stakeholdern aus der Biomasseproduktion, der Entwicklung von (Bio-)Technologien und bio-basierten Produkten und, nicht zuletzt, von der Nachfrageseite. Das Rheinische Revier zeichnet sich durch exzellente Ausgangsbedingungen für eine Bioökonomie aus: Auf der einen Seite prägen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie maßgeblich die Region. Auf der anderen Seite hat sich durch den jahrhundertelangen Abbau von Braunkohle ein bedeutendes Netzwerk aus Chemieindustrie, Energieindustrie und Wissenschaft sowie klein- und mittelständischen Betrieben aus verwandten Sektoren gebildet. Durch den Tagebau haben sich zusätzlich soziale und ökologische Initiativen rund um die Themen Strukturwandel und Nachhaltigkeit organisiert.

Einen Einblick in gesamtgesellschaftliche Vorstellungen liefert die Berichterstattung über Bioökonomie in den nationalen Medien. Sie ist vor allem gekennzeichnet durch einen Fokus auf die Entwicklung neuer Technologien und die Ziele Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Das spiegelt den forschungsorientierten Ansatz der Bundesregierung und der Europäischen Union wider. Überlegungen zu Biomasseproduktion und ländlicher Entwicklung sind seltener und unterstützen das vorherrschende technologie-basierte Bild der Bioökonomie. Kritische Stimmen äußern sich in Bezug auf die soziale und ökologische Nachhaltigkeit, stellen allerdings nur einen marginalen Aspekt der öffentlichen Debatte dar.

Abb. 2: Wordcloud basierend auf den Ergebnissen einer Analyse deutscher Zeitungsartikel 2010-2019 (Quelle: Sophia Dieken und Sandra Venghaus: Potential Pathways to the German Bioeconomy: A Media Discourse Analysis of Public Perceptions. Sustainability 2020 (12), 7987.).

Die Untersuchung der Visionen von Einzelpersonen ist eine Herausforderung: Insbesondere bei nicht unmittelbar betroffenen Bürgerinnen und Bürgern mangelt es oft an Wissen über das Konzept der Bioökonomie. Mit diesem Begriff werden ganz unterschiedliche Vorstellungen und Hoffnungen verbunden: Von biologischer Landwirtschaft, über ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft bis hin zur Nicht-Vereinbarkeit von „Bio“ und „Ökonomie“. Im Gegensatz zur Mediendarstellung steht bei den Einzelpersonen weniger die technologie-basierte Vorstellung im Vordergrund. Stattdessen herrscht das positive Bild einer nachhaltigen, zukunftsweisenden Wirtschaftsweise vor, dem jedoch die Sorge um gerechte Biomasseverteilung und Zweifel an der Realisierbarkeit entgegenstehen. Auch die Konsumenten-Perspektive ist entscheidend für den Erfolg der Transformation. Gerade bei neuen, innovativen Produkten ist die Verbraucherakzeptanz niedrig, ebenso wie die Bereitschaft, das Kaufverhalten zu ändern. Hier sieht die Gesellschaft vor allem die Politik in der Verantwortung, aufzuklären und Anreize zu setzen.

Demgegenüber stehen Stakeholdergruppen, die konkretere Vorstellungen zur Bioökonomie haben als die breite Gesellschaft. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, beispielsweise, sind Schlüsselakteure der Bioökonomie. Die Untersuchung von Wissenschaftlern bietet daher einen wichtigen Einblick in Stakeholdervisionen der Bioökonomie. Hochschulprofessorinnen und –professoren mit Bioökonomie- und lokalem Bezug zum Rheinischen Revier sehen großes Potenzial in der Substitution von fossilen durch biobasierte Rohstoffe, sowie in weiteren Verwendungsmöglichkeiten von Biomasse. Neben Biotechnologie im Allgemeinen werden dabei vor allem Fermentationsprozesse und auch funktionelle Biopolymere bzw. Bioplastik als sehr wichtig für eine Bioökonomie-Transformation angesehen. Solche aufkommenden Technologien sollen dabei nach Meinung der Forschenden folgende Kriterien erfüllen: Auf ökonomischer Ebene wird eine effiziente Produktion als sehr bedeutsam eingeschätzt; auf sozialer Ebene soll vor allem die Region durch neue Arbeitsplätze gestärkt werden; auf ökologischer Ebene sind Nachhaltigkeitsaspekte, wie reduzierte Umweltverschmutzung und der effiziente Einsatz von Ressourcen, von zentraler Bedeutung.

Abb. 3: Stakeholder der Bioökonomie im Rheinischen Revier (Quelle: Janine Macht).

Landwirtinnen und Landwirte sind eine weitere interessante Stakeholdergruppe, die in Transform2Bio untersucht wird. Sie müssen unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden. Als wichtige Biomasseproduzenten sind sie einerseits der Ausgangspunkt von Kaskaden- oder zirkulärer Nutzung in der Bioökonomie und das Bindeglied zwischen dem Wirtschaften mit Biomasse und der Instandhaltung lokaler Ökosysteme. Andererseits übernehmen sie auch ganz andere Aufgaben, wie die Direktvermarktung ihrer Erzeugnisse. Außerdem erfüllen einige gleichzeitig mehrere Funktionen, sind beispielsweise auch Kommunal-Politiker oder Vertreterin eines regionalen Landwirtschaftsverbandes. Die Bioökonomievisionen zwischen und auch innerhalb der Stakeholdergruppen können sich daher stark unterscheiden.

In diesem Arbeitspaket des Kompetenzplattform-Projekts Transform2Bio untersuchen wir die spezifischen Einstellungen und Vorstellungen der Stakeholdergruppen zur Bioökonomie, um diese im nächsten Schritt mit den techno-ökonomisch machbaren Entwicklungen im Rheinischen Revier abzugleichen.

Beteiligte Core Groups

Prof. Dr. Stefanie Bröring
ILR – Technology and Innovation Management in Agribusi-ness (TIM)
Universität Bonn

Dr. Wilhelm Kuckshinrichs
IEK-STE – Systems Analysis and Technology Evaluation
Forschungszentrum Jülich

Prof. Dr. Monika Hartmann
ILR – Chair of Agricultural and Food Market Research
Universität Bonn

Prof. Dr. Silke Hüttel
ILR – Chair of Production Economics
Universität Bonn